Essen. Verkehrsminister Tiefensee will den Lärmschutz an Autobahnen, Bundesstraßen und Güterzugstrecken verbessern. Dafür legte er jetzt einen Aktionsplan vor. Besonderen Handlungsbedarf gibt es in der lärmgeplagten Rhein-Ruhr-Region, wo der Lärm sogar die Gesundheit der Anwohner gefährden kann.

60 Prozent der Bundesbürger klagen über den lauten Verkehr. Zwei Drittel stört Straßenlärm. Ein Viertel fühlt sich durch Züge belästigt. Vor allem der Rhein-Ruhr-Raum liegt Tag und Nacht unter Dauerbeschallung durch schwere Lkw, ununterbrochene Pkw-Ströme, quietschende Güterzüge, bremsende Rangierloks. Tief rot eingefärbte Lärmkarten des Eisenbahnbundesamtes belegen, dass hier sogar die Gesundheit der Anwohner beeinträchtigt werden kann.

Jetzt kündigt der Bund Abhilfe an. Erstmals setzt er klare Zielvorgaben für die Lärmreduzierung. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) will den Lärmschutz besonders an Autobahnen, Bundesstraßen und Güterzugstrecken verbessern. Am Donnerstag legte er seinen Aktionsplan bis 2020 vor, den die neu zu wählende Bundesregierung möglichst schnell als Gesetz verabschieden soll.

Der Straßenverkehr soll bis dahin 30 Prozent leiser werden, der Bahnbetrieb um 50 Prozent. Denn „Lärm erhöht den Stress und stört den Schlaf”, sagt Tiefensee. Die Brennpunkte müssten entschärft werden.

Brennpunkt Straße. Anwohner bestehender Fernstraßen müssen heute weit mehr Krach erdulden als die, die an Neubauabschnitten wohnen, denn für neue Straßen gelten schärfere Bestimmungen. Hier setzt die Regierung an. Lärmschutzwände an bestehenden Verkehrsadern sollen künftig schon bei wesentlich geringerer Geräuschkulisse zwingend gebaut werden müssen. Die Lärmwerte, deren Messung eine Lärmsanierung auslöst, werden nach Tiefensees Vorstellung um drei Dezibel herabgesetzt. Zum Vergleich: Eine Senkung um 10 Dezibel bedeutet etwa eine Halbierung des Lärms. Tiefensee glaubt, dass der zusätzliche Aufwand für die Staatskasse bei etwa 1,5 Milliarden Euro liegen wird.

Außerdem: Auch bei Reifen will er die Geräuschgrenzwerte um drei Dezibel verschärfen. Die Industrie ist also gefordert.

Brennpunkt Bahn. Im Bahnverkehr ist der Einbau von „Flüsterbremsen” vorgesehen. 5000 Güterwagen werden in den nächsten vier Jahren umgerüstet. Der Bund gibt dafür 40 Millionen Euro. Das ist aber offenbar ein zu geringer Ansatz, wie die Organisation „ProBahn” glaubt. Für eine echte Lärmsanierung sei bis zu einer halben Milliarde Euro nötig, sagt sie – ein Betrag, der derzeit von einer mit 14 Milliarden Euro in der Kreide stehenden Bahn AG kaum zusätzlich aufgebracht werden kann.

Lärmabhängige Trassenpreise

Generell sieht das Bundesverkehrsministerium eine Chance, über „lärmabhängige Trassenpreise” den Krach zu minimieren. Was im Klartext bedeutet: Die staatliche Bahn AG und private Bahnbetreiber, die ja für die Benutzung des Schienennetzes zahlen müssen, erhalten beim Einsatz leiser Güterwagen einen nennenswerten Rabatt. Neue niedrige Lärmschutzwälle direkt am Gleis sollen überdies den Schallpegel senken und gleichzeitig die Landschaft verschönern. Hässliche hohe Lärmwände würden sie überflüssig machen. Tiefensee: „Wir betreten Neuland.”

Welche Region neben dem lauten Rheintal, das gerade zu einem Testbett für innovativen Lärmschutz gemacht wird, besonders von den angekündigten Maßnahmen profitieren kann, zeigen die Lärmkarten des Eisenbahnbundesamtes: das Ruhrgebiet. Zu den am meisten belasteten Gegenden zählen danach der Dortmunder Osten rund um die Stadtteile Scharnhorst und Wambel, der Bochumer Osten, in Essen die Bereiche der Stadtgrenze zu Mülheim und große Teile Duisburgs wie Rheinhausen und Wanheimerort sowie der Hafen/Ruhr-Bereich zwischen Duissern und Meiderich.