Berlin. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee will den Verkehrslärm deutlich senken. Er stellte jetzt ein Maßnahmenpaket vor, in dem zum ersten Mal eindeutige Lärmminderungsziele für Straßen, Schienen sowie die Binnenwasserstraßen und den Flugverkehr formuliert werden.
Stress, Schlaflosigkeit, Herzinfarkt: Zu viel Lärm kann auf vielfältige Weise der Gesundheit und dem Wohlbefinden schaden. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee will deshalb die Lärmbelastung an Straßen, Bahntrassen und Flughäfen bis 2020 erheblich senken. Im Mittelpunkt des Programms, das er am Donnerstag vorstellte, steht der Bahnverkehr. Um alte, quietschende Loks und Waggons von den Schienen zu bekommen, soll bis 2013 ein lärmabhängiges Preissystem für Güterzüge eingeführt werden.
Tiefensee sagte: «Verkehrslärm ist für viele Menschen ein drängendes Problem.» Er beeinträchtige die Lebensqualität, verhindere Konzentration und Kommunikation, erhöhe den Stress und störe den Schlaf. Der Forscher Christian Maschke fand heraus, dass sich fast 30 Prozent der Bürger vom Straßenlärm belästigt fühlen, rund 17 Prozent vom Flugverkehr und mehr als zwölf Prozent vom Bahnverkehr. Internationale Studien zeigten, dass bei Menschen, die langfristig starkem Straßenlärm ausgesetzt sind, das Herzinfarktrisiko um drei Prozent steige, sagte Maschke.
Schon seit 2007 komme man bei der Minderung des Lärms mit Riesenschritten voran, sagte Tiefensee. Schwerpunkt des neuen Pakets sei die Schiene, die bislang vernachlässigt worden sei. Vor allem der nächtliche Güterverkehr müsse in den kommenden Jahren deutlich reduziert werden. Dabei wolle man möglichst an der Quelle ansetzen, die den Lärm verursacht.
Nach dem Plan sollen 2,5 Milliarden Euro in die Lärmreduzierung bei der Bahn bis 2020 investiert werden sollen, an Bundesstraßen und Autobahnen 1,5 Milliarden. Dabei soll laut Tiefensee die Bahn die Hälfte der Investitionen in Schiene und Waggons selbst tragen.
Geräuschgrenzwerte mindern
Während an der Schiene eine Lärmminderung von 50 Prozent vorgesehen ist, belaufen sich die Ziele für Straßen und Binnenschifffahrt auf 30 Prozent, für den Flugverkehr auf 20 Prozent. Um diese Vorgaben zu erreichen, sollen laut Tiefensee auch die Geräuschgrenzwerte abgesenkt werden. Die Weichen hierfür werden allerdings in internationalen Gremien gestellt. Angestrebt wird laut Plan etwa eine Verringerung des Lärms von Kraftfahrzeugen um drei Dezibel und bei Schienenfahrzeugen um fünf Dezibel.
Als eines der ersten Projekte zur Minderung des Lärms an der Schiene nannte Tiefensee die Ausrüstung von 5.000 Güterwagen mit «Flüsterbremsen». Dafür stehen 40 Millionen Euro zur Verfügung. Außerdem sollten die hässlichen fünf Meter hohen Schallschutzwände abgebaut und durch 75 Zentimeter niedrige, gleisnahe Wände ersetzt werden. Für Lärmschutzwände, die nicht die Landschaft verschandeln, stünden 100 Millionen Euro aus Konjunkturpaketmitteln des Bundes zur Verfügung.
Ein Bonus-Malus-System soll ab 2013 einen Anreiz zum Einsatz leiser Lokomotiven auf Schienen bieten. «Wer alte, quietschende Loks und Waggons einsetzt, wird stärker zur Kasse gebeten», sagte Tiefensee.
Allianz pro Schiene fordert mehr Geld für Flüsterbremsen
Die Allianz pro Schiene begrüßte den Plan Tiefensees. Die Halbierung des Schienenlärms bis 2020 sei «ambitioniert, aber machbar». Was in dem Paket fehle, sei das Geld für den nachträglichen Einbau von Flüsterbremsen in die bereits fahrenden Güterwaggons. Hierfür müsse der Bund in den kommenden Jahren rund eine halbe Milliarde Euro bereitstellen und nicht wie angekündigt nur 40 Millionen Euro für Pilotprojekte, erklärte Verbandsgeschäftsführer Dirk Flege. Umzurüsten seien insgesamt 135.000 Güterwaggons und nicht nur 5.000. (ap/ddp)