Essen. Nach dem Skandal um Gammelfleisch versprach NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) bessere Kontrollen. 300 neue Lebensmittelkontrolleure sollten eingestellt werden. Doch bisher ist nicht viel passiert. Im Gegenteil: Die Zahl der Kontrollen ist sogar weiter gesunken.

Im Spätherbst 2005 wird es unappetitlich. Bei einer Routinekontrolle in einem Gelsenkirchener Kühlhaus fällt den Kontrolleuren ein tiefgefrorener Block Roastbeef der Firma Domenz auf – frisch umgepackt, doch ohne Haltbarkeitsdatum. Im Labor entdeckt man: Es ist Ekelfleisch, für den Verzehr nicht geeignet. Ein Zufallsfund, der einen der größten Lebensmittelskandale Deutschlands ans Tageslicht bringt: 400 Tonnen Fleisch, verdorben und überlagert, hatte ein skrupelloser Großhändler in ganz Deutschland verkauft. Als Döner oder Grillwürstchen.

Versprechen: 300 neue Lebensmittelkontrolleure

Der Gammelfleisch-Skandal schreckte Nordrhein-Westfalen auf, rückte die Lebensmittelüberwachung ins Rampenlicht und veranlasste im Sommer 2006 den NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers zu einer forschen Aussage: 300 neue Lebensmittelkontrolleure würden in den nächsten Jahren eingestellt. Mehr als drei Jahre später ist dieses Versprechen nicht einmal im Ansatz umgesetzt. Bloße Ankündigungspolitik, heißt es im Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure.

Nichts gelernt aus dem Gammelfleisch?, fragen die Grünen im Landtag, die in einer Anfrage an die Landesregierung Zahlen über Personalstärke und Kontrollen erbaten. Ihr Fazit: Die Zahl der Kontrollen ist seit 2004 um zehn Prozent gesunken. In 40 der 54 Städte und Kreise in NRW mangelt es an notwendigem Personal. Selbst die Kontrollen in Risikobetrieben (zum Beispiel Hackfleischherstellung oder Krankenhaus-Kantinen) sind lückenhaft. „Die Defizite sind nicht behoben worden”, urteilt Johannes Remmel, Verbraucherschutz-Experte der Grünen-Fraktion.

Holzfäller und Holzfällersteaks

Für Streit sorgen insbesondere die „Lebensmittelkontroll-Assistenten”. Statt Experten sind es Hilfskräfte aus anderen Bereichen der Verwaltung, etwa aus Forstämtern, die Kontrolleure unterstützen sollen. 31 sind aktuell im Dienst, 24 kommen nach dem Sommer hinzu. „Holzfäller sollen Holzfällersteaks kontrollieren”, so die Zuspitzung der Grünen.

Der Sprecher des Landesumweltministeriums bezeichnet den Begriff „Hilfsassistent” als „Kampfname der Grünen”. Es sei eine Unverschämtheit, die „gute Arbeit der Kollegen in Misskredit zu bringen”. Schließlich würden die zusätzlichen Kräfte die Experten von Routinearbeit entlasten.

Es fehlen vollwertige Arbeitskräfte

Genau das hält der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure für realitätsfern. Assistenten übernähmen Kiosk-Kontrollen oder Temperaturmessungen. Das weitaus größere Pensum aber könnten nur Experten leisten. „Was uns fehlt, sind vollwertige Arbeitskräfte”, sagt Martin Müller, Vorsitzender des Bundesverbandes. In NRW muss ein Kontrolleur pro Jahr bis zu 1400 Betriebe prüfen.

Auch in Köln wird der Mangel verwaltet. 25 Lebensmittelkontrolleure wünscht sich die größte Stadt in NRW. „Wir sind elf”, sagt Bernd Stumm, Vorsitzender des Bezirksverbands. Dazu kommen zwei Assistenten, einer wird gerade ausgebildet. Er bemängelt, dass Assistenten zur Hand gehen, aber keine Amtshandlungen vollziehen können. „Zu uns kommt jemand, der etwa als Schließer in einer Justizvollzugsanstalt gearbeitet hat und sich im Verwaltungsrecht auskennt”, so Stumm. „Ein Lebensmittelkontrolleur aber ist Handwerksmeister wie Bäcker oder Metzger, der zusätzlich noch eine zweijährige Ausbildung absolviert hat.”

Finanznot bremst die Begeisterung

Das Land bemüht sich, die Lücken zu schließen. In diesem Jahr beginnt die Ausbildung neuer Lebensmittelkontrolleure, die komplett aus dem Landeshaushalt finanziert wird. „Das macht kein anderes Bundesland”, kommentiert der Sprecher des Landesumweltministeriums.

Doch die Begeisterung hält sich in Grenzen. Denn die Vergütung der Fachkräfte müssen die chronisch klammen Kommunen im zweiten Jahr mitbezahlen, später dann auch die Gehälter. Das sei der Kern des Problems, heißt es in der Branche. So sehr man auch gewillt sei, die Lebensmittelüberwachung zu verbessern: Aus Finanznot überlegen sich die Städte und Kreise zweimal, ob sie Bedarf an Experten anmelden.