Gelsenkirchen. Ende offen, so lautet die Prognose sowohl für den Ausgang als aber auch für die Verfahrensdauer um die angeblich dubiose Fleischverarbeitung des Gelsenkirchener Metzgers Dirk St.: Er soll beispielsweise mit alten tiefgefrorenen Putenresten die Grillwürstchen gestreckt haben.

Eine Gesundheitsgefährdung habe es durch den Verzehr dieser Snacks aber nie gegeben,wurde nachdrücklich zu Prozessbeginn vor dem Erweiterten Schöffengericht in Gelsenkirchen unter Vorsitz von Richter Steinbrinck betont. Allerdings forderte die Beschreibung der Putenreste, kurz Putenhack genannt, die tiefgekühlt 2002 aus Dänemark zum inzwischen rechtskräftig verurteilten Gammelfleisch-Lieferanten Uwe Domenz gekommen waren, starke Magennerven.

Pute darf allenfalls eineinhalb Jahre tiefgekühlt aufbewahrt werden, danach gilt sie als „für den menschlichen Verzehr nicht mehr geeignet.” führte Staatsanwältin Dr. Handtke aus. Metzger St. hätte das Hack keinesfalls 2005 kaufen und in seine Würstchen zusammen mit dem Schweinefleisch pressen dürfen. Solche Ware, die nicht mehr für den menschlichen Verzehr geeignet ist, darf nicht in den Handel kommen. Wer das trotzdem macht, macht sich strafbar.

„Gestreckte” Grillwürstchen

Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage gegen den ehemals renommierten 61-jährigen Geschäftsmann davon aus, dass er dies vorsätzlich gemacht hat, sie spricht sogar von gewerbsmäßigem Betrug. Das „Gammelfleisch” war mit 44 ct pro Kilo angeblich deutlich günstiger als „normales” Fleisch, was seine Gewinnmarge pro Würstchen anhob.

Tausende solcher „gestreckter” Grillwürstchen wanderten nicht nur in Gelsenkirchen zwischen Brötchen, sondern landeten über Firmen und Vereine von Marl bis Mülheim und darüber hinaus auf den Grillrosten.

Umschlagplatz des überlagerten Putenhacks waren die Kühlhäuser von Frigoropa in Gelsenkirchen. Hier bezog St. das gefrorene Putenfleisch, hier lagerte er aber auch eigene Wurstwaren, die ebenfalls längst ihr Haltbarkeitsdatum von hinten sahen. Wurstwaren, die er in seinen Geschäften aber noch verkaufen wollte.

Gefrierbrand abgeschnitten

Vorwürfe, die der Metzgermeister gestern vehement bestritt. Vorwürfe, die nur von den Medien so hoch gespielt worden seien und derentwegen er seine gesamte Existenz verloren habe. Er will heute von 200 Euro monatlich im Haus mit der Mutter leben müssen.

Der 61-Jährige gab zu, Putenfleisch von Domenz gekauft zu haben. Das habe er sich aber selbst ausgesucht und getestet. „Ich habe nie schlechte Ware verarbeitet: Nur das, was auch bei uns zuhause auf den Tisch kam, ging auch über die Ladentheke.”

Wenn dann doch einmal grauer Gefrierbrand am Putenhack gewesen sei, dann sei der eben abgeschnitten worden. Jeder Metzger trenne „Gutes vom Schlechten.”

Der Prozess geht in Gelsenkirchen weiter. Wie lange, das steht in den Sternen, allein das Gericht hat 35 Zeugen geladen, Die Verteidigung kündigte mindestens ebenso viele an.

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