Kaum zu glauben, aber im Streit um das iranische Atomprogramm deutet sich Entspannung an. Die Verhandlungen am Genfer See endeten mit Zugeständnissen des Iran. Die Diplomaten sind hoffnungsvoll.
Berlin. Mohammed El Baradei wird am Freitag in Teheran erwartet. Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) will keine Zeit verlieren. Kaum hatte Irans Regierung zugesagt, dass die IAEO eine Nuklearanlage in Qom überprüfen darf, wird der oberste Kontrolleur vorstellig. Das war eine von drei Zusagen bei den Gesprächen am Donnerstag.
Bis Mittag deutete nichts auf einen Durchbruch hin. Der Iran wollte über alles reden, nur nicht über das „Atomdossier”, wie es im Diplomatendeutsch heißt. Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana und die Vertreter von sechs Staaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland, China und USA) kamen nicht weiter. Im Garten einer Villa am Genfer See, wohin sich die Unterhändler zurückgezogen hatten, wurde ein gewaltiges Buffet aufgebaut. Gegessen wurde bis 17 Uhr. Wie die Agentur afp berichtet, kamen der Amerikaner William Burns und der Iraner Said Dschalili zusammen. Das erste Gespräch nach 30 Jahren - seit die USA und Teheran ihre diplomatischen Beziehungen abbrachen - führte zum Erfolg.
Verhandlungen oder Handelskrieg
Ende Oktober wollen sie sich wieder treffen. Zum Jahresende kommt die Stunde der Wahrheit. Entweder gibt es Verhandlungen mit dem Ziel, das Programm auf zivile Ziele zu begrenzen, oder es droht ein Handelskrieg.
Dass der Iran Nuklearwaffen plant, hatte man vermutet. Die Verdachtsmomente sind größer geworden, seit Geheimdienste eine Anlage in Qom entdeckten, tief in einem Berg installiert. Die IAEO war ahnungslos. Es ist die zweite Anlage. Argwohn erregt allein ihre Größe. Die Iraner könnten bis zu 3 000 Zentrifugen installieren. Damit wären sie fähig, Uran niedrig anzureichen und innerhalb eines Jahres genug Material für eine Bombe herzustellen. Das irritiert alle, gerade Russen und Chinesen. Sie hatten das Atomprogramm weniger alarmistisch beurteilt als die USA und - als Vetomächte in der UNO - oft Strafmaßnahmen blockiert. In Genf haben auch sie die Tonlage verschärft. Da haben die Iraner aufgehorcht.
Ein Deal mit Modellcharakter
Sie öffnen jetzt nicht nur Qom für die IAEO. Sie verpflichteten sich vielmehr, bis Jahresende auch keine weiteren Zentrifugen aufzustellen. Noch interessanter ist ein dritter Punkt: Iran lässt 1200 Kilo niedrig angereichertes Uran in Russland auf 19,98 Prozent anreichern. Das Material wird danach zurück nach Teheran transportiert und in einer Forschungsanlage für medizinische Zwecke genutzt.
Damit geben die Iraner ein Teil des Materials aus der Hand. Mehr noch: Der Deal könnte Modellcharakter haben. So könnte man das Teheraner Energieprogramm fördern und zugleich sicherstellen, dass kein waffenfähiges Material entsteht.
Es könnte sein, dass die Iraner US-Präsident Obama beim Wort nehmen wollen. Er hatte in einer Rede eine Politik der „ausgestreckten Hand” angeboten. Obama steht unter Erfolgsdruck. „Unsere Geduld ist nicht unbegrenzt”, mahnt er. Die Vorbereitungen für mögliche Sanktionen laufen. Ein totales Handelsboykott würde deutsche Exporteure treffen, und der Iran würde auf seinem Öl sitzen bleiben. Am härtesten trifft es das Land - man glaubt es kaum -, wenn es kein Benzin kaufen kann. Der Iran hat zu wenige Raffinerien. Er exportiert das Rohöl und reimportiert das Endprodukt. Wenn er kein Benzin kaufen kann, steht Teheran still.
Bleibt noch eine Frage: Warum saß Deutschland eigentlich mit am Verhandlungstisch? Als zwischen Iran und USA Funkstille herrschte, knüpften drei Nationen einen Gesprächsfaden nach Teheran: Franzosen, Deutsche und Briten verlangten Aufklärung über das geheime Atomprogramm, das 2002 bekannt geworden war. Die „E3” kamen nicht weiter und schalteten 2006 die UNO ein. Damit kamen die Atommächte China, Russland, USA ins Boot. So gehört Deutschland zur Gruppe, obwohl es weder Vetorecht in der UNO noch Nuklearwaffen besitzt. san