Integrationspolitik gehört zur Handvoll Großthemen, die in diesem Wahlkampf keine Rolle spielen, obwohl sie zweifellos für das Land schicksalhaft sind. „Ungeeignet für den politischen Streit”, heißt es dann oft. Das ist falsch.

Ohne Auseinandersetzung bewegt sich in einer offenen Gesellschaft nun einmal nichts. Auch von Armin Laschet war in den letzten Wochen wenig zu hören. Immerhin: Der CDU-Politiker ist ersatzweise unter die Buchautoren gegangen, und das ist ja auch was.

Über viele Jahrzehnte, Laschet beklagt es zu Recht, war die deutsche Integrationspolitik von Illusionen bestimmt. Konservative wollten nicht einsehen, dass die „Gastarbeiter” längst zum Bleiben entschlossen waren, dass sie ein Teil des Landes wurden. Linke erhofften sich eine schleichende „Verwässerung” dessen, was sie an Deutschland hassten und nannten das ganze „Multikulti”. Beide Seiten ignorierten Erfahrungen altgedienter Einwanderernationen, etwa die, dass Spracherwerb unabdingbar ist.

In den USA gibt es eine schöne Wendung: „Das Land veränderte sie, und sie veränderten das Land.” In dieser Reihenfolge, wohlgemerkt. Soll heißen: Einwanderung ist anstrengend und mit Veränderungsstress verbunden, zeitversetzt übrigens für Neu- wie für Altbürger gleichermaßen. Die neudeutsche Straßenfest-Idylle, wo alle erzählen, wie toll sie sich finden, wo sich friedlich Döner- mit Reibekuchen-Duft mischt, ist ein ziemlich kleiner Teil der Realität. Das wissen alle, die in Zuwanderer-Stadtteilen wirklich leben, statt aus sicherer Entfernung ihren Theorien nachzuhängen.

Nun haben, und das ist die gute Nachricht, viele dazugelernt, sogar bei CDU und Grünen. Wir brauchen Zuwanderer, ja, aber eben solche, die dynamisch sind, die etwas leisten und sich auf unser Land einlassen wollen. Genau deshalb verfolgt diese Zeitung das Schicksal des 18-jährigen Arme-niers Harut Vardanjan (siehe Seite 4) mit soviel Empathie. Was hingegen nicht mehr sein kann, ist die immense Einwanderung in die Sozialsysteme. Der Mut, zwischen gewünschter und unerwünschter Einwanderung zu unterscheiden und dafür endlich ein Regelwerk, ein Punktesystem zu schaffen, ist Voraussetzung für mehr Akzeptanz.

Was ist mit denen, die bereits hier sind? Ihnen gilt es, Chancen zu eröffnen. Das müssen die Altbürger im eigenen Interesse leisten, und da ist noch mehr möglich als bisher. Aber es muss unmissverständlich klar sein: Diese Chancen sind wahrzunehmen. Auch daran mangelt es viel zu oft.