Berlin. Auch bei der letzten Sitzung des schwarz-roten Berliner Kabinetts beherrscht Routine die Stimmung. Immerhin: Am Abend darf die scheidende Ministerrunde noch einmal gemeinsam tafeln. Angela Merkel lud ins Kanzleramt ein.
Die Fotografen sind zur Stelle. Die Szenerie wollen sie festhalten: die 164. Sitzung des Kabinetts war gestern zugleich die letzte der großen Koalition. Nur in einer außergewöhnlichen Situation würde die Runde noch einmal zusammenkommen.
Auf den ersten Blick fällt sofort auf, dass sich nur eine Ministerin von einem Staatssekretär vertreten lässt: Heidemarie Wieczorek-Zeul (Entwicklungshilfe). Alle anderen lassen sich die Sitzung nicht entgehen. Ein Einschnitt ist sie nur für Sozialdemokraten. Die Unions-Minister dürfen sich mehr oder weniger Hoffnungen machen, im Kabinett zu bleiben.
Stimmung wie in der Schule
Bevor Kanzlerin Angela Merkel den Raum betritt, stehen die Minister in Gruppen zusammen. Die Stimmung ist unbeschwert, heiter, gelassen, locker, wie in einer Schulklasse, bevor der Gong ertönt und der Lehrer den Raum betritt. Über die vier Jahre kamen sich einige im Kabinett näher und sind vom "Sie" zum "Du" gewechselt, zum Beispiel Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Kanzleramtschef Thomas de Maiziere (CDU). Steinbrück, ein Spötter vor dem Herren, hat den Zeitungen entnommen, dass die FDP ein Bürgergeld fordert. "Da kann ich euch nicht mehr helfen", frotzelt er. "Ihr habt`s so gewollt, jetzt müsst ihr mit denen auch klarkommen", ruft er de Maiziere zu.
Unsentimentales Programm
Wer nun Reden, Dankesworte oder Blumen erwartet hätte, der sah sich getäuscht. Merkel und ihr Vize-Kanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) ziehen ganz unsentimental ihr Programm durch: Routine statt Abschied. Dienst ist Dienst, Schnaps ist Schnaps. Für heute Abend hat Merkel ihre Minister zum Essen eingeladen. In einem Saal in der achten Etage des Kanzleramtes kann die Runde dann weinselig in Wehmut schwelgen - oder auch nicht. So ähnlich war Gerhard Schröder vor vier Jahren vorgegangen.
Gestern ging die Kanzlerin eine Reihe von Verordnungen durch und stellte sicher, wer die Regierung in der Übergansphase in den EU-Ministerräten repräsentiert. Peer Steinbrück und Wolfgang Tiefensee (Verkehr) lassen sich lieber vertreten, Sigmar Gabriel (Umwelt) und Ulla Schmidt (Gesundheit) halten persönlich die Stellung. Nach 45 Minuten war die Kanzlerin schon durch. Es war ein Mittwoch wie jeder andere.
Nicht ganz.