Norwich/Cuxhaven. Verkehrte Welt? Mit Eon will sich einer der europäischen Energieriesen zum Vorreiter bei Ökostrom aufschwingen.
Der RWE-Konkurrent steckt Milliarden in Windkraft- und Solaranlagen. „Grün” wird der deutsche Branchenprimus, der verglichen mit europäischen Rivalen bei „sauberer Energie hinterherhinkt, nicht aus Gutmenschentum. Eon hat knallharte wirtschaftliche Interessen.
Bisher setzen die Düsseldorfer auf Stromerzeugung aus Gas (Anteil: 38 Prozent) und Kohle (34 Prozent), bei der besonders viel klimaschädliches Kohlendioxid anfällt, und Atomstrom (15 Prozent).
2030-Ziel: 36 Prozent Ökostrom
Nur 13 Prozent des Stroms stammt aus Erneuerbaren Energien. Das soll sich ändern. Bis 2030 werde der Ökostrom-Anteil auf 36 Prozent steigen, sagt Eon-Chef Wulf Bernotat beim Besuch eines Windparks.
Er setzt auf die Politik: Viele Länder fördern die „saubere” Energie. Das schafft Geld-Anreize für Eon & Co, weltweit mehr auf Wind- oder Sonnenkraft zu setzen. Denn erzeugen Versorger „schmutzigen” Strom etwa aus Kohle, wird das wegen des ausgestoßenen Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) künftig deutlich teurer.
Handel mit Verschmutzungsrechten
Hintergrund ist der 2005 gestartete Handel mit CO2-Emissionsrechten – das wichtigste Instrument in der EU, um den Treibhausgas-Ausstoß zu senken. Wer CO2 in die Luft bläst, muss zahlen. Bisher schenkt der Staat Energieversorgern Verschmutzungsrechte. Versorger müssen zudem Emissionszertifikate kaufen. Ab 2012 sollen Energieerzeuger diese komplett bezahlen müssen.
Folglich setzt Eon-Chef Bernotat auf „grün”: „Wir müssen die Erneuerbaren Energien aus dem Nischendasein herausführen und Projekte im industriellen Maßstab realisieren. Nur das wird den endgültigen Durchbruch möglich machen.”
Finanzkrise hin oder her – Eon gibt sich robust. Und plant Milliardeninvestitionen in Europa und dem Boom-Markt USA, wo Präsident Barack Obama Ökoenergie massiv fördern will.
Branchenriesen müssen ran
Bernotat findet: Wenn Kredite für Energieprojekte spärlicher fließen und sich Investoren zurückziehen, müssen Branchenriesen ran, die das finanziell stemmen können. Eon hat nicht Kreditzusagen von Banken und könnte auch Unternehmensanleihen ausgeben, um an Geld zu kommen.
Branchenanalysten sind skeptischer: Eon sei in den vorigen Jahren auf Firmen-Einkaufstour gegangen und sitze auf hohen Schulden. Das könne den Energieriesen im Wettbewerb finanziell ausbremsen.
Entwicklungssprünge bei Windkraft
Eon-Chef Bernotat lobt derweil Windkraft kräftig: Sie mache bei den Erneuerbaren Energien die größten Entwicklungssprünge und stehe „nahe an der Grenze zur Wirtschaftlichkeit”. Also errichtet Eon möglichst viele Windturbinen – zu Lande und zur See.
Teure Windparks
In Europa sind vor allem britische und skandinavische Küsten für Eon interessant, um Meer-Windparks zu errichten. Teils drehen sich die Windräder keine fünf Kilometer vom Strand entfernt.
In Deutschland sei das bisher aus Umweltschutz-Gründen undenkbar, bedauern Eon-Manager. Eon müsse also mit Windrädern dutzende Kilometer aufs Meer hinaus. Dort sei deren Errichtung aber wegen der Meerestiefe und stärkerer Winde komplizierter und teurer als in Küstennähe.
Trotzdem betreibt Eon mit Partnern den Meeres-Windpark Alpha Ventus, etwa 45 Kilometer von der Insel Borkum entfernt. Er diene als Testanlage zum Erfahrungssammeln, so der Versorger. Das Potenzial der Meeres-Energie sei „gewaltig”.
Seit ein paar Tagen gehören die Wattenmeer-Nationalparks Niedersachsens und Schleswig-Holsteins zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Rekorde meldet stolz der Chef von Eons Ökostrom-Tochter, Frank Mastiaux: Eons Windpark Roscoe in Texas (USA), der bald fertig sei, werde der weltgrößte Land-Windpark („onshore”) mit 627 Windturbinen. Und Eon plane mit Partnern, vor der britischen Küste den weltgrößten Windpark „London Array” im Meer („offshore”).
Finanzieller Kraftakt...
Das erfordert viel Geld. Eine Land-Windturbine koste etwa 1,2 Millionen Euro je Megawatt Leistung, sagt Eon-Manager Michael Lewis. Auf See müssten Turbinen robuster sein; sie kosteten etwa zwei Millionen je Megawatt. Derzeit kommen die leistungsstärksten auf fünf Megawatt.
Im Meer ist der Windpark-Bau äußerst knifflig und nur an manchen Tagen möglich: Wellen dürfen nicht zu hoch und Winde nicht zu stark sein, um Fundamente zu legen und die teils über 100 Meter hohen Räder aufzustellen. Und geeignete Schiffe fehlen, die die tonnenschweren Teile transportieren können. Die Branche behilft sich unter anderem mit Schiffen für Ölplattformen.
... staatlich gefördert
Günstig ist aus diesen Gründen für Eon & Co., dass viele Länder Ökostrom fördern. Zum Beispiel legt Deutschland fest, wie viel Erzeuger erhalten, wenn sie ihren Strom ins Stromnetz einspeisen. Das wirkt sich auf den Endpreis für Kunden aus.
Im Prinzip zahlt also auch jeder Verbraucher per Stromrechnung den Ausbau „sauberer” Energien mit.