Hamburg. Die Menschen schreiben immer weniger Briefe, deshalb setzt die Deutsche Post jetzt auf das Internet: Der Konzern will das "Briefgeheimnis ins Internet übertragen" und besonders sichere E-Mails anbieten. Doch kann dieses kostenpflichtige Online-Angebot Erfolg haben?

Frank Appel gibt sich betont realistisch. Der Konzernchef will die Lage der Deutschen Post nicht schönreden. Die Menschen schreiben, seit es die E-Mail gibt, seltener Briefe. Von Jahr zu Jahr haben die Postboten weniger zu tun. "Es werden weiter Briefe zugestellt", sagt Appel über die Zukunft. "Ich weiß aber nicht, ob das Volumen 50, 70 oder 80 Prozent des heutigen Niveaus erreichen wird."

Vor wenigen Tagen hat die Führungscrew der Post eine Dienstreise zum Hamburger Briefzentrum absolviert. In einem schmucklosen Konferenzraum neben den ratternden Verteilmaschinen referierte Post-Vorstand Jürgen Gerdes über die "Zukunft der Briefpost", und die sieht der Manager im Internet. Der Post-Konzern will die E-Mail neu erfinden und einen kostenpflichtigen Online-Brief etablieren. "Wir müssen es schaffen, dass Inhalte im Netz Geld kosten", sagt Gerdes.

Millionen von E-Mails pro Tag

Post-Manager Johannes Helbig ist für Details des Projekts zuständig. Er muss auch die Frage beantworten, warum Kunden Geld für einen Online-Brief ausgeben sollen, wenn täglich einige Millionen E-Mails kostenlos verschickt werden. "Wir bringen das Briefgeheimnis in die digitale Welt", sagt Helbig. "Verbindlich, vertraulich, verlässlich - alle drei Eigenschaften hat eine E-Mail nicht." Mitte nächsten Jahres will die Post ihr Online-Angebot starten. Helbig bemüht historische Vergleiche: die Einführung der ersten deutschen Briefmarke 1849, die erste Luftpost 1912. Heutzutage wolle die Post ein "universeller Informationslogistiker" sein.

Viele wichtige Punkte des Projekts Online-Brief sind allerdings noch ungeklärt: Sollen die Kunden für jedes einzelne Internetschreiben bezahlen? Oder gibt es eine Flatrate? Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob es der Post gelingt, ihr System auf Dauer gegen Hacker-Angriffe abzuschirmen. Schließlich hat es auch beim Online-Banking immer wieder Datenpannen gegeben.

"Hybrid-Funktion"

Als Zielgruppe sieht der Konzern vor allem Kunden, die sicher mit Behörden, Banken, Versicherungen oder Krankenkassen kommunizieren wollen. Wer einen Online-Brief verschicken will, muss sich zunächst anmelden und seinen Personalausweis in einer Postfiliale vorlegen. Auf dem heimischen Computer wird dann ein digitales Postfach installiert. Auch eine "Hybrid-Funktion" ist vorgesehen: Online formulierte Schreiben werden von der Post auf Papier ausgedruckt und vom Boten ausgetragen.

Post-Chef Appel hört aufmerksam zu, als seine Top-Manager diese "ersten Schritte einer umfassenden digitalen Strategie" des Konzerns beschreiben. Appel, der sein Handwerk bei der Unternehmensberatung McKinsey gelernt hat, ist überzeugt von der Idee. "Wir sehen ein enormes Wachstumspotenzial für den Brief im Internet", sagt er. Dass auch die Deutsche Telekom ein ähnliches Projekt namens "De-Mail" verfolgt, ärgert den Post-Chef angeblich nicht. Exakte Prognosen für das eigene Vorhaben vermeidet Appel wohlweislich. Er sagt lediglich: "Ok, wir probieren das jetzt aus."