Washington. In den USA schlägt die Schweinegrippe härter zu als in Europa. Geimpft wird dort im Akkord, in Schulen, in Gesundheitsämtern und selbst auf Parkplätzen werden provisorische Impfstationen aufgebaut - nach dem Drive-In-Prinzip.

In den USA schlägt die Schweinegrippe weit härter zu als in Europa. In New York etwa warteten am vergangenen Wochenende wieder Tausende, darunter viele Mütter mit kleinen Kindern, stundenlang auf den kleinen Piekser. Im ganzen Land wütet das Virus. Die Zahl der Toten hat die Seuchenkontrollbehörde CDC inzwischen mittels einer neuen Zählweise deutlich nach oben korrigiert.

Erschreckend hohe Zahlen

4400 Tote, darunter fast 600 Kinder, ermittelte die CDC, drei Mal mehr als nach bisherigen offiziellen Angaben. Doch sind in der erschreckend hohen Zahl auch all jene Patienten erfasst, die zwar am H1N1-Virus erkrankten, aber anschließend an anderen Krankheiten starben. Düstere Prognosen freilich rechnen mit bis zu 90000 Schweinegrippe-Toten in diesem Grippewinter - drei Mal mehr wären das als in einer normalen „Grippesaison”.

Die Panik der ersten Herbstwochen ist inzwischen freilich einer gewissen Gelassenheit gewichen. Jeder kennt mittlerweile jemanden, der die Grippe vergleichsweise glimpflich überstanden hat. Auch im Alltag ist die Grippe für viele Amerikaner kaum mehr der Rede wert. Um Lohnausfälle zu vermeiden, gehen ohnehin viele seit jeher krank zur Arbeit, was die Verbreitung des Virus wiederum erhöht. Damit sich Nachlässigkeiten beim Niesen und beim Händewaschen gar nicht erst einschleichen, haben die Gesundheitsbehörden erneut Millionen von Handzetteln auf englisch und spanisch drucken lassen. Auch in den Schulen wird selbst den Kleinsten eingeimpft, in die Armbeuge zu niesen und sich regelmäßig die Hände zu waschen. Populäre Figuren der Sesam-Straße wiederum brachten den Amerikanern schon seit dem Sommer die richtige Haltung beim Husten bei. Mitte Oktober wiederum hatte Präsident Barack Obama den nationalen Notstand ausgerufen, um Massenimpfungen auch außerhalb von Krankenhäusern zu ermöglichen. Angesichts der schleppenden Produktion des Impfstoffs haben die US-Behörden schon Anfang des Monats sämtliche Tamiflu-Vorräte aus der nationalen Reserve für Kinder freigegeben.

Eine Junge-Leute-Grippe

Von einer „junge-Leute-Grippe” spricht der Leiter der Seuchenkontrollbehörde, Thomas Frieden. Neun von zehn Opfern in den USA seien jünger als 65 Jahre.

Kleinkinder und junge Erwachsene werden neben Schwangeren deshalb bevorzugt geimpft. Ältere müssen warten. Auch Obama muss sich gedulden. Im Gegensatz zu den beiden acht- und elfjährigen Töchtern, die erst geimpft wurden, nachdem genügend Impfstoff für alle Hauptstadtkinder beschafft worden war, gehören der 48-jährige Präsident und seine drei Jahre jüngere Ehefrau nicht zu den Risikogruppen mit bevorzugtem Schutzanspruch.

Für beide trotz des Mangels eine Ausnahme zu machen, käme schlecht an im Land. Als jüngst das Verteidigungsministerium ankündigte, auch die Gefangenen in Guantanamo impfen zu lassen, regte sich ein Proteststurm. Terroristen vor Schwangeren zu impfen, sei ein Skandal, erregte sich der konservative Senator Joe Lieberman. „Die Häftlinge sollten sich lieber mal ganz weit hinten anstellen.”