Essen. Die Schweinegrippe bringt den Handschlag in Verruf. Firmen, Kirchengemeinden und Sportverbände sind beunruhigt und verfassen Hygienemaßregeln für ihre Mitarbeiter und Mitglieder bei denen so manche Tradition hinterfragt wird.

Das Lexikon nennt es „nonverbales Begrüßungsritual”, für Mediziner ist es eine Ansteckungsquelle erster Güte. Deshalb empfehlen sie in Zeiten der Schweinegrippe, auf das Händeschütteln zu verzichten. Doch das ist manchmal leichter gesagt, als getan.

Abstand per Anordnung

Denn gerade in Deutschland gilt ein kräftiger Händedruck unter Männern nicht nur als Zeichen von Höflichkeit, sondern soll auch Kraft und Willensstärke ausdrücken. Vielen Firmen ist das allerdings derzeit egal. Weil die Schweinegrippe nicht am Werkstor oder beim Pförtner stoppt, haben Betriebsärzte umfangreiche Verhaltenskataloge aufgestellt, in denen es fast immer heißt: „Händeschütteln unerwünscht.”

Das ist nicht als Bitte sondern als Anordnung zu verstehen und rechtlich abgesichert. „Arbeitnehmer haben die Pflicht, Schaden von den Arbeitskollegen und dem Unternehmen abzuwenden”, erklärt der Kölner Rechtsanwalt und arbeitsrechtliche Fachautor Michael W. Felser. „Wenn der Arbeitgeber und der Betriebsrat also entsprechende Maßnahmen verabschieden, müssen sich alle Kollegen daran halten.” Sonst kann es eine Abmahnung geben.

Vorkehrungen fürs Abendmahl

Schwieriger wird es beim Besuch eines Gottesdienstes. Ob Abendmahl, Mundkommunion oder Friedensgruß – immer wieder kommen die Gläubigen sich näher, als es Medizinern liebt ist. Nicht nur Jens Peter Iven, Pressesprecher der Evangelischen Kirche im Rheinland, verzeichnet deshalb eine steigende Zahl von Anfragen: „Meistens geht es um die Vorkehrungen beim gemeinsamen Abendmahl.”

„Eine generelle Richtlinie haben wir nicht herausgegeben”, sagt Andreas Duderstedt, Pressesprecher der Evangelischen Kirche von Westfalen. „Deshalb wird das von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich gehandhabt.” Meist gibt es das Abendmahl „Intinctio”. Dabei wird nicht aus einem gemeinsamen Becher getrunken, sondern die Abendmahlsoblate nur in den Kelch eingetaucht. Das verringert nach Ansicht von Experten das Risiko einer Ansteckung.

Auch die katholische Kirche beschäftigt sich mit der Schweinegrippe. Es sei nicht zwingend notwendig, sich beim Friedensgruß die Hände zu reichen, heißt es aus der Pressestelle des Erzbistums Köln. „Auch ein freundliches Nicken kann ein Zeichen des Friedens sein.” Ansonsten richten sich die meisten Gemeinden nach den Handlungsempfehlungen der Bischofskonferenz: Keine Mundkommunion und Zurückhaltung bei der Nutzung des Weihwassers. Zudem setzen die Bischöfe auf gesunden Menschenverstand. „Wer an der Grippe erkrankt ist oder bei wem der Verdacht auf Erkrankung besteht, der sollte vorläufig auf eine Teilnahme an Gottesdiensten verzichten.”

Nicht mehr auf den Rasen spucken

Relativ gelassen bleiben bisher die Sportler im Land. „Wir halten uns an die Empfehlungen der UEFA und des DFB”, sagt ein Sprecher des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen. Danach sollen Sportler, die mit dem H1N1-Erreger infiziert sind, für mindestens sieben Tage keinen Sport treiben und infizierte Spieler aus dem Team isoliert werden. Bisher reicht das offenbar. „Der Spielbetrieb läuft auch in den unteren Ligen problemlos.”

In ausländischen Sportverbänden treibt die Angst vor der Schweinegrippe derweil erste kuriose Blüten. So sollen sich in Schweden die Teams nach dem Abpfiff nicht mehr die Hände schütteln. Weitaus härter trifft es rumänische Kicker. Offenbar aus Angst vor der Tröpfcheninfektion hat der Verband sie angewiesen, künftig nicht mehr auf den Rasen zu spucken.