Berlin. Gerhard Schröder wird 65 und hat politisch noch etwas vor. Denn mit dem Rat, „mach erst mal zwei Jahre nix”, konnte er nichts anfangen. Jetzt bringt er sich in Stellung gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Mann bleibt im politischen Unruhestand.

Gerhard Schröder wird 65 und hat politisch noch etwas vor. Denn mit dem Rat, „mach erst mal zwei Jahre nix”, konnte er nichts anfangen. Jetzt bringt er sich in Stellung gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mit 65 gehen normale Leute in Rente. Ein Gerhard Schröder meldet sich in den politischen Unruhestand ab, in den Wahlkampf. Gerufen wird er aus der SPD. Dazu berufen ist er allemal. In der Partei gilt er als Wahlkämpfer schlechthin. Am Dienstag feiert Gerhard Schröder den 65. Geburtstag. Seit Tagen bringt er sich mit Interviews ins Gespräch, nicht zuletzt mit Kritik am Krisenmanagement seiner Nachfolgerin Angela Merkel.

SPD-Chef Franz Müntefering pflegt einen engen Draht zum Altkanzler und wünscht sich ihn zurück, „gerade jetzt, in Zeiten der Krise”. Eine Gruppe von SPD-Abgeordneten hat sich für Anfang April schon in Hannover angemeldet. Schröders Rat wird gesucht. Organisiert wird das Treffen von seinem Freund Klaus-Uwe Benneter. „Ein Teil der Partei”, sagt ein Mitstreiter Schröders, „drängt darauf, dass er stärker in den Wahlkampf einbezogen wird.”

Er fürchtet um seinen Ruf

Auf die Frage, ob Schröder eine Rolle spielen werde, antwortet Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier, „bestimmt, und ich freue mich darüber, dass er bereit ist, zu helfen.” Allerdings sind die Sehnsüchte nach dem starken Mann delikat. Als Kritik an Merkel sind sie in Ordnung. Indes gibt es noch eine andere Lesart: Was hat Schröder, was ein Steinmeier nicht hat?

Am 18. April wird er viele aus der SPD-Spitze wieder um sich scharen. Dann will der Altkanzler in Hannover seinen Geburtstag nachfeiern. Statt Geschenke wünscht er sich Spenden, auch für den Verein „Gesicht zeigen”. Alles, was in der SPD Rang und Namen hat, ist am Wochenende ohnehin in der Nähe. Vormittags berät die Führung in Berlin das Wahlprogramm. Da kann man abends rechtzeitig zu Schröder fahren. Anderntags wollen sie Steinmeier in Berlin auf einer Großveranstaltung feiern.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis ihm der Kragen platzt

Auch Merkel lockt ihn aus der Reserve. Zu ihrer Standard-Rede in der Krise gehört der Verweis auf Philipp Holzmann. Wie Schröder den Baukonzern rettete, ist für sie und die Union ein abschreckendes Beispiel. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Schröder der Kragen platzt. Er fürchtet um seinen Ruf, der ohnehin besser sein könnte.

Viele Bürger sehen in dem Mann, der Nein zum Irak-Krieg sagte und mit der „Agenda 2010” die Reformpolitik forcierte, bloß den Gazprom-Lobbyisten, weil er dem Aufsichtsrat eines Gas-Pipeline-Projektes vorsteht. Für ihr Gefühl lässt er sich zu sehr auf Russlands Premier Putin ein. Der Eindruck wurmt ihn. „Es stößt schon unangenehm auf”, räumte er in der „Zeit” ein.

In der Krise war er in seinem Element

Schröder war stets ein Macher, bereits als Ministerpräsident, als Niedersachsen bei „Salzgitter” einstieg. In der Krise war er in seinem Element – nicht die einzige Parallele zu Helmut Schmidt –, da zahlte sich sein Mut zum Risiko aus. Es juckt Schröder in diesen Krisentagen 2009: „Ich empfände es als Herausforderung, in einer solchen Situation handeln zu können.”

Den Opelanern hätte er längst die gröbsten Ängste genommen; für ihn eine Frage der Gleichbehandlung mit den Banken. „Da soll der Arbeiter in Rüsselsheim oder Bochum kapieren, dass Geld für die Rettung seines Arbeitsplatzes nicht da ist?”, fragt Schröder.

Da kam Putin

Der Geburtstag trägt dazu bei, dass er sich noch anderen Fragen stellt. Zum Beispiel der, warum er nach der Abwahl dem Bundestag den Rücken kehrte. Er wolle nicht wie Helmut Kohl „herumhocken als ständige Mahnung”. Oder der Frage, warum er den Pipeline-Job annahm. Die Antwort ist so banal wie ehrlich. Er musste vom Phantomscherz ablenken, der sich nach dem Machtverlust einstellte.

„Es gibt diese Enttäuschung eben, wenn ein Politiker unfreiwillig aufhören muss durch ein Votum der Wähler”. Mit dem Rat, „mach erst mal zwei Jahre nix”, konnte er nichts anfangen: „Die ersten beiden Jahre sind ja die schwierigen”. Er wusste, „wenn du nicht arbeitest, wirst du zu Hause ungenießbar.”

Er musste was tun. Da kam Putin. Ein paar Jahre weiter, weiser, bald 65, vermisst er zwar nicht die ungeheure Anspannung einer Kanzlerschaft („man kommt nicht zur Ruhe”), aber etwas tun will er schon. Merkel eine Niederlage beibringen, Steinmeier ins Kanzleramt verhelfen, so was in der Art.

Mehr zum Thema: