Essen/Berlin. Angesichts des stetig steigenden Schuldenbergs muss die Bunderegierung dem Staat zu mehr Steuereinnahmen verhelfen, fordern Ökonomen. Durch eine höhere Belastung der Reichen könnte der Staat 25 Milliarden Euro mehr einnehmen, sagt das Institut der Deutschen Wirtschaft (DIW).

Die Krise treibt Deutschland von Schuldenrekord zu Schuldenrekord. Auf 1,7 Billionen Euro werden sich die Verbindlichkeiten des Staates bis zum Jahresende aufgetürmt haben. Für führenden Ökonomen steht daher fest: Die kommende Bundesregierung muss dem Staat zu mehr Einnahmen verhelfen, also Steuern erhöhen. Die Frage ist nur, welche? Eine neue Vermögensteuer fordert bisher nur die Linke. Nun bietet ausgerechnet das von der Bundesregierung geförderte Institut der Deutschen Wirtschaft (DIW) dieser Forderung wissenschaftlichen Geleitschutz.

Das DIW hat berechnet, was die Wiedereinführung der seit 1997 nicht mehr erhobenen Vermögensteuer bringen könnte. Ein Prozent Abgabe auf das persönliche Gesamtvermögen könnte jährlich bis zu 21 Milliarden Euro einbringen – selbst wenn die ersten 500 000 Euro frei blieben.

Für Dieter Lehmkuhl kam diese Meldung wie gerufen. „Genau das haben wir im Mai gefordert”, sagt der Millionenerbe aus Berlin. Er gehörte Anfang Mai zu den Erstunterzeichnern eines spektakulären Aufrufs von Reichen, die sich für eine jährliche Abgabe von fünf Prozent ab 500 000 Euro Vermögen aussprachen.

"Reiche wollen Reichensteuer"

„Reiche wollen Reichensteuer” titelten Zeitungen. Inzwischen haben 35 Millionäre unterschrieben. Lehmkuhl: „Wir fühlen uns bestätigt. Unsere Idee, der sich voraussichtlich bald auch bekannte Millionäre verschreiben werden, wird hoffähig.”

Deutschland verzichtet seit 1997 auf eine Vermögensbesteuerung, nachdem das Bundesverfassungsgericht die damalige Regelung kassiert hatte. Die Einnahmen aus den so genannten Substanzsteuern (Grund-, Vermögen-, Schenkung- und Erbschaftsteuer) liegen deshalb weit unter dem internationalen Durchschnitt von zwei Prozent des Gesamtsteueraufkommens.

In Deutschland werden nur 0,9 Prozent der Steuern auf diese Weise erzielt. Eine Anhebung auf EU-Schnitt würde dem Fiskus jedes Jahr 25 Milliarden Euro mehr einbringen.

Vermögensteuer nicht grundsätzlich verfassungswidrig

Karlsruhe hatte die Vermögensteuer nicht grundsätzlich für verfassungswidrig erklärt. Seinerzeit verstieß sie gegen den „Halbteilungsgrundsatz”. Der besagt, dass Steuern insgesamt nicht mehr als die Hälfte des Einkommens wegnehmen dürfen. Beim damaligen Spitzensteuersatz von 53 Prozent war das auch bei Berücksichtigung der Freibeträge nicht immer gewährleistet, wenn auch noch Vermögensteuern anfielen. Bei derzeit 45 Prozent Spitzensteuersatz dürfte dieses Problem zu lösen sein.

Dennoch ist das DIW-Gutachten keineswegs ein Plädoyer für die Vermögensteuer. Der zweite Einwand der Verfassungsrichter hat nach Meinung des DIW-Steuerexperten Stefan Bach nach wie vor Bestand: Wie soll das Finanzamt bewerten, was ein Haus oder ein Betrieb wert ist? Zudem drohten Steuerflucht und das Ausnutzen von Schlupflöchern. Die gewünschten Einnahmen ließen sich nur bei niedrigeren Freibeträgen erzielen. „Dann reichen die Belastungen aber bis weit in die Mittelschicht”, meint Bach.

Für ihn bietet eher die Grundsteuer Potenzial. Sie basiert noch immer auf Immobilienwerten aus dem Jahr 1964.

Allerdings gibt er zu bedenken, dass dies ärmere Schichten härter treffen würde als die reichen. Denn Immobilienbesitzer würden sich ihre steuerlichen Einbußen über höhere Mieten zurückholen.

Wenn die Reichen zur Kasse gebeten werden sollen, meinen die DIW-Forscher, dann am besten über höhere Besteuerung der Gewinne und des Kapitals. Die Körperschaftssteuer auf Unternehmensge-winne wurde 2008 auf 15 Prozent, die Kapitalertragssteuer auf 25 Prozent gesenkt. Eine Anhebung würde zudem all jene Unternehmen verschonen, die Verluste schreiben.