Berlin. Verdi-Chef Frank Bsirske hat Union und FDP zu einer Steuerreform gemahnt und höhere Steuern für Besserverdienende verlangt. Unterdessen fordert der Deutsche Industrie- und Handelskammertag laut einem Bericht der Bildzeitung vom Montag rasche Steuererleichterungen für die Unternehmen.
Vor der zweiten Woche der Koalitionsverhandlungen hat die Gewerkschaft Verdi die Erhöhung mehrerer Steuerarten für Wohlhabende gefordert. Nur so seien die rekordverdächtig steigenden Staatsschulden in den Griff zu bekommen, sagte Verdi-Chef Frank Bsirske der «Bild"-Zeitung (Montagausgabe). «Deutschland hat die Steuern auf Vermögen, Unternehmensgewinne und Spitzeneinkommen in den letzten zehn Jahren gesenkt. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätten wir heute 105 Milliarden Euro Einnahmen mehr im Jahr. Wir können es uns nicht länger leisten, auf diese Einnahmen für die Allgemeinheit zu verzichten.»
"Die Starken können mehr tragen"
Eine Mehrbelastung von Besserverdienern sei durchaus vertretbar, sagte Bsirske zu «Bild». «Die Starken können mehr tragen. Das Letzte, was wir brauchen, sind Abstriche bei der Steuer für große Erbschaften. Bis 2015 werden 1,4 Billionen Euro vererbt. Wenn wir alle Großvermögen zum Durchschnitts-Satz in der EU versteuern, kann der Staat 33 Milliarden Euro Mehreinnahmen im Jahr erzielen.»
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, sagte am Sonntagabend im ZDF, ihre Partei wolle eine Steuerreform, aber «nicht auf Pump». «Die haushaltliche Situation ist desolat», sagte sie in der Sendung «Berlin direkt». Daher müsse der Schwerpunkt auf jenen Maßnahmen liegen, die wirklich für das Wachstum förderlich seien. Eine Steuerreform könne nicht sofort «in einem Guss» umgesetzt werden.
Die Unterhändler von Union und FDP setzen am Montag ihre Koalitionsverhandlungen fort. Dazu kommen zunächst erneut die verschiedenen Arbeitsgruppen zusammen, die über einzelne Sachthemen beraten. Unter anderem geht es darum, die finanzpolitischen Prioritäten abzustecken.
Industrieverband fordert rasche Reformen
Vor dem Hintergrund zunehmender Streitigkeiten um die Finanzierbarkeit einer Steuerreform in der neuen Koalition hat die deutsche Wirtschaft davor gewarnt, die Chance zu grundlegenden Reformen zu vertun. «Union und FDP dürfen die Erwartungen nicht enttäuschen. Wenn wir das Land zukunftsfähig reformieren wollen, dann jetzt«, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Hans-Peter Keitel, der »Bild«-Zeitung (Montagausgabe). Die großen Probleme erforderten einen wirklich großen Wurf. »Klein-klein hatten wir in den vergangenen Jahren schon genug«, sagte Keitel.
Die künftigen Regierungsparteien sollten die große Chance, einen glaubwürdigen «Aufbruch in Aufschwung und Erneuerung» zu organisieren, nicht verpassen, wird der Industrie-Chef in der Internet-Ausgabe der Zeitung weiter zitiert.
Alle Staatsausgaben auf den Prüfstand stellen
Vor der entscheidenden Phase der Koalitionsverhandlungen verlangt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag von Union und FDP klare Signale in der Finanzpolitik. «Wir brauchen jetzt gleichzeitig Haushaltssanierung und erste gezielte Steuererleichterungen», sagte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann der «Frankfurter Rundschau». «Das ist machbar und schlicht notwendig.»
Die künftige Bundesregierung müsse «alle staatlichen Ausgaben auf den Prüfstand stellen. Teure Versprechen wie die Rentengarantie wird die Koalition kaum aufrecht erhalten können, wenn sie ihrer Verantwortung gegenüber den Beitrags- und Steuerzahlern gerecht werden will.» Auch bei den Subventionen für die Wirtschaft seien «erhebliche Abstriche» angesagt, sagte Driftmann. (afp/ddp)