Berlin. Die 25-Jährige springt in Berlin 2,06 Meter hoch und übertrifft mit dieser neuen deutschen Bestleistung ihr Idol Heike Henkel.

Als Ariane Friedrich über die deutsche Rekordhöhe von 2,06 Meter floppte, da blieb sie erst einmal einige Sekunden auf der Kunststoffmatte liegen und schaute ungläubig nach oben. Nein, die Latte wackelte kein bisschen, Ariane Friedrich hatte es wirklich geschafft. Dann löste sich die stille Ungläubigkeit und wandelte sich von Null auf Hundert zu einem gewaltigen Ausbruch größter Freude. Die 25-Jährige richtete sich auf, sprang leicht und locker wie eine Feder von der Matte. Sie hüpfte so ausgelassen über die blaue Tartanbahn, wie es zuletzt die kleine Ariane vor wohl 20 Jahren in ihren Kindertagen getan hatte. Die Frankfurterin gewann nicht nur das Golden-League-Meeting in Berlin, sondern verbesserte auch die 17 Jahre alte Bestleistung von Heike Henkel um einen Zentimeter. Henkel hatte bei der WM 1991 in Tokio mit 2,05 Metern Gold geholt.

Was Ariane Friedrich in Berlin vollbrachte, wurde ihr erst richtig klar, als sie von einem Fernsehinterview zum nächsten gebeten wurde. Aber die angehende Polizeikommissarin ist nicht auf den Mund gefallen. Wenn sie gut drauf ist, dann erzählt sie gern und viel. Am Sonntag war sie besonders gut drauf. Wen sollte es wundern?

Und dann kam natürlich diese typische Frage, die Reporter eigentlich nicht stellen sollten. „Wie fühlen Sie sich?”, hieß es. Der Rekordhalterin stockte tatsächlich für Sekunden der Atem. Ob sie über das besonders originelle Ansinnen verblüfft war oder wirklich erst in diesem Moment Anlass fand, um sich in ihrer Gefühlswelt zurechtzufinden, war nicht ganz klar. „Wow”, entfuhr es ihr, als sie wieder zu atmen begann, „es ist wirklich sehr schwer in Worte zu fassen, wie es mir jetzt geht. Ich bin einfach stolz.” Diese fünf Buchstaben sollten im weiteren Verlauf ihrer Ausführungen zum meist benutzten Wort werden. Stolz war sie über den Sieg beim bisher wichtigsten Wettkampf des Jahres, über den Erfolg gegen ihre berühmte kroatische Rivalin, Blanka Vlasic, über ihre fast perfekten Sprünge und über ihren Deutschen Rekord. Den größten Stolz empfindet sie aber darüber, dass sie als Rekordhalterin jetzt Heike Henkel abgelöst hat. „Heike Henkel”, sagte Ariane Friedrich und ließ ihre Worte in den Katakomben des Berliner Olympiastadions verhallen, als wollte sie ihnen so noch größere Bedeutung verleihen, „Heike Henkel, das ist ein Idol. Jedes Kind kennt Heike Henkel, nur wenige kennen Ariane Friedrich.”

Das könnte sich schnell ändern. Vor allem, wenn sie demnächst auch noch den Weltrekord brechen sollte. Bei ihrem zweiten Versuch am Sonntag über 2,09 Meter fehlte wirklich nur ganz, ganz wenig zum großen Ding. Also, wann ist der Weltrekord fällig? Reporter müssen neugierig sein, und wirklich abwegig war die Frage nicht. „Ich finde, man sollte nicht immer nur immer mehr wollen”, sagte Ariane Friedrich. „Deutscher Rekord ist deutscher Rekord. Für heute bin ich zufrieden. Sehr sogar.”

Mit ihrem Triumph in Berlin ist sie im Mllionen-Rennen um den Golden-League-Jackpot. Aber Ariane Friedrich fällt nicht nur wegen ihrer wasserstoffblonden Sturmfrisur und ihrer überdimensional großen Sonnenbrille aus dem Rahmen. Sie ist eine Idealistin, eine Spezies, die im Spitzensport mit der immer größer werdenden Ausrichtung auf Profit und Kommerz auszusterben droht. Sie lässt die Golden-League-Meetings in Oslo und Rom aus und so ihre Fahrkarten auf dem Millionen-Karussell verfallen. „Ich will zu diesem Zeitpunkt lieber Studenten-Weltmeisterin werden. Wenn das heißt, dass ich so auf Geld verzichten muss, dann ist es eben so. Ich springe doch nicht wegen der Finanzen, sondern weil es mir Spaß macht. Ich habe zwar nicht Geld im Überfluss, aber es gibt für mich einfach Dinge, die nicht käuflich sind.”

Ihr ganz großes Ziel in diesem Jahr ist eh nicht zu kaufen. Bei der WM in Berlin will sie eine Medaille holen. Dass sie in diesem Stadion gewinnen kann, das hat sie am Sonntag schon eindrucksvoll bewiesen.