Essen. Die Krise bringt Inkassobüros mehr Aufträge. Doch sie verdienen erst im Erfolgsfall. Für weitere Aufträge könnte schon bald die Abwrackprämie sorgen, schätzen Experten.
Wenn Bund, Länder und Gemeinden offene Rechnungen nur schleppend begleichen, wie ist es dann um die Zahlungsmoral von Unternehmen und privaten Kunden bestellt? „Schlecht”, teilt der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) mit und sieht die Wirtschaftskrise als Ursache dafür. In der Frühjahrsumfrage des Verbands berichten 43 Prozent der Firmen, dass sich die Zahlungstreue verschlechtert habe, 78 Prozent erwarten eine Verstärkung der Entwicklung.
Das nährt den Gedanken, dass die Inkasso-Branche zu den Profiteuren der Krise gehört. Mehr unbezahlte Rechnungen, mehr Kunden – mehr Verdienst. Der letzte Teil der Gleichung geht nicht zwingend auf, wie Claudia Sieber erläutert: „Wir verdienen erst im Erfolgsfall”, sagt die Inhaberin eines Inkasso-Büros in Essen.
"Teil- oder Ratenzahlungen"
Gläubiger nehmen diese Dienstleistung in Anspruch, weil sie den zähen Weg bis vor Gericht scheuen – oder diesen bereits ohne befriedigendes Ergebnis gegangen sind. Inkasso-Firmen versuchen über einen längeren Zeitraum, das geforderte Geld einzutreiben, mit Briefen und Telefonaten wird der Schuldner aufgefordert, seine Schuld zu begleichen. „Wir können auch Teil- oder Ratenzahlungen vereinbaren”, erläutert Sieber. Wobei sie das Wörtchen „eintreiben” nicht schätzt. Da kommen schnell jene Männer in Schwarz in den Sinn. Begleitet von den Kameras eines TV-Privatsenders, klopften sie an Haustüren und fragten nachdrücklich – aber ohne behördliche Zulassung – nach den Schulden. „Die sind ein Fluch”, sagt Sieber. Seriöse Inkasso-Unternehmen sind von den Oberlandesgerichten in NRW zugelassen, die Vergütung orientiert sich an jener von Rechtsanwälten.
Wer nicht bezahlt, dem droht der Schufa-Eintrag
Inkasso-Büros haben ein besonderes „Drohpotenzial”. Wenn sich Schuldner standhaft weigern zu zahlen, kann ein negativer Schufa-Eintrag die Folge sein. Trotzdem: Im ungünstigsten Fall kann Sieber „die Forderung ihres Mandanten nicht realisieren” und nur eine Aufwandsentschädigung von zehn Euro berechnen. „Dafür habe ich mindestens vier Briefe geschrieben, diverse Telefonate geführt. Kostendeckend ist das nicht.”
Die Erschütterungen der Krise spürt Claudia Sieber bislang nicht. Pro Jahr bearbeitet sie rund 2500 Fälle, die Zahl sei nicht spürbar gestiegen. Sie glaubt, dass die Krise mit Zeitverzögerung bei ihr ankommt und alle Gruppen betroffen sein werden. Das können Firmeninsolvenzen sein – der Bundesverband rechnet mit mindestens 35 000 Pleiten im laufenden Jahr –, aber auch Menschen, die aus der Arbeit in Hartz IV rutschen. „Für diese Leute ist der Brief eines Inkassobüros oder der Besuch eines Gerichtsvollziehers Nebensache. Da geht es um ganz existenzielle Fragen”, skizziert Sieber problematische Fälle.
Kritik an der Abwrackprämie
Kritisch sieht sie die Abwrackprämie. Einerseits vermutet Sieber, dass nach dem Strohfeuer im nächsten Jahr kaum noch Autos verkauft werden und Händler in die Insolvenz müssen, andererseits mutmaßt sie, dass nun einige Menschen ein Auto kaufen, die es sich trotz der staatlichen Prämie nicht leisten können. Wenn dann eine andere Anschaffung ansteht, färben sich die Zahlen auf dem Konto rot. Die Prämie vergleicht sie mit Angeboten wie „Heute kaufen, in 48 Monaten zahlen”, um den Konsum künstlich anzukurbeln. Wenn der Zahltag käme, sei das Geld für andere Dinge ausgegeben.