Köln. Er wirkt entspannt an diesem Abend. Leicht gebräunt lehnt SPD-Mann Jürgen Roters sich auf dem Podium zurück und redet aus dem Stegreif wie das einer tut, der weiß, dass er vor heimischem Publikum spricht.

Hier, im Hans Jürgen Wischnewski-Haus, in der SPD-Zentrale von Köln, bedarf niemand erobert zu werden, hier stehen sie längst hinter ihm. Aber auch sonst hat der gemeinsame OB-Kandidat von SPD und Grünen allen Grund zur Gelassenheit. Knapp fünf Wochen nach dem angekündigten Rückzug Oberbürgermeister Schrammas sucht die CDU verzweifelt nach einem Nachfolger, kassiert sie eine Absage nach der anderen.

Neun sollen es inzwischen sein, und unter jenen, die nicht wollen, befinden sich so klangvolle Namen wie der des Anwalts Konrad Adenauer und des IHK-Chefs Paul Bauwens-Adenauer. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach ist dabei und der nach dem Stadtarchiv-Einsturz so emsige Feuerwehrchef Stephan Neuhoff.

Eine gebeutelte und zerstrittene CDU

Erst zerbarst ihnen das historische Stadtarchiv, dann dilettierte Fritz Schramma als Krisenmanager und nun mag es sich niemand antun, der völlig zerstrittenen, von Filz-Skandalen gebeutelten Partei den Kandidaten zu geben.

Als es peinlich wurde, setzte die CDU eine Kandidatenfindungskommission unter Leitung von Parteichef Jürgen Hollstein ein. Dass dieser selbst abgewunken hat und wie Fraktionschef Winrich Granitzka nicht zur Verfügung steht, verwundert nicht. „Es ist kein Geheimnis, dass sich die CDU in Köln in einem desolaten Zustand befindet”, sagt Stefan Peil, der Chef der Kölner Grünen. Desolat scheint die richtige Beschreibung zu sein. Im Frühjahr strauchelten Bürgermeister Josef Müller und der frühere Fraktionschef Rolf Bietmann wegen fragwürdiger Sparkassen-Beraterverträge. Derweil steht Ex-Parteichef Richard Blömer vor Gericht wegen einer Parteispenden-Affäre und Steuerhinterziehung.

Uneins mit sich selbst, war die Fraktion auch im Kölner Rat kein zuverlässiger Verhandlungspartner. „Ein Haifischbecken”, urteilt SPD-Geschäftsführer Frank Mederlet.

"Jürgen Rüttgers war nicht erreichbar"

Obendrein hatte wohl auch die Landespartei nicht mehr viel Gefallen am Treiben der Kölner Parteikollegen. Fritz Schramma, der Ende März seinen „Traumjob” Köln aufgab, seine Kandidatur zurückzog, machte dafür auch mangelnden Rückhalt, speziell durch Ministerpräsident Rüttgers mitverantwortlich. Der sei für ihn, als es darauf ankam, über 24 Stunden lang nicht telefonisch erreichbar gewesen.

Köln, die größte Stadt Nordrhein-Westfalens, wird so häufig wie lange nicht in einem Atemzug mit Begriffen wie Klüngel und Filz genannt. „Et hätt noch immer jot jejange”, der Wahlspruch der Stadt, hat seine Leichtigkeit verloren. „Es ist schwer!” gibt auch CDU-Kreisgeschäftsführer Volker Meertz zu, aber das Wunschprofil, das er vom CDU-Kandidaten zeichnet, steckt voll unfreiwilliger Ironie: „Er muss in die Großwetterlage der neuen transparenten CDU 'reinpassen. Transparenz, das ist uns ganz wichtig. Kein 'Augen zu!' mehr”.

Seit Tagen nun führt die Findungskommission „gute Gespräche mit guten Kandidaten”, und Ulla Heinen, Bundestagsabgeordnete und Mitglied der Findungskommission, geht jetzt davon aus, dass man kommende Woche einen „ordentlichen, guten Kandidaten” präsentieren kann. Und, wer weiß, deutet sie an, vielleicht könne man sogar einen Vertreter der Landes-CDU ins Rennen schicken.

SPD in Siegeslaune

Was keine unerhebliche Randbemerkung ist, da erstaunt registriert wird, dass die Landes-CDU scheinbar gelassen zusieht, wie die für die Landtagswahl 2010 so wichtige Metropole Köln an die SPD verloren geht. Die Umfragewerte für den von SPD und Grünen getragenen früheren Polizeipräsidenten Jürgen Roters sind eindeutig.

Extrem zuversichtlich, so lässt sich die Stimmung beschreiben am Abend in der SPD-Parteizentrale, an dem über die Kölner Wirtschaft in Krisenzeiten diskutiert wird. Guntram Schneider ist da, der NRW-Chef des Gewerkschaftsbundes, Wirtschaftsdezernent Norbert Walter-Borjans und die Berliner Abgeordnete Lale Akgün. „Na, schaffen wir das denn?” flaxt Guntram Schneider einen Kölner Genossen an, der laut mit einem „Sicher!” antwortet. „Sicher ist nichts. . .” relativiert Schneider, „Rüttgers wird etwas anordnen. Das geht doch nicht, so ein Kasperltheater!”

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