Essen. . Roter Mantel, spitze Mütze, weißer Bart, Geschenke-Sack: Der Weihnachtsmann ist wieder groß im Geschäft. Und der Nikolaus stand Pate? Falsch!
Nikolaus, Weihnachtsmann, Christkind – wer bringt denn nun die Geschenke? Wer hat einen religiösen Hintergrund – und wer war als erster da? Autor und Theologie-Professor Manfred Becker-Huberti hat die Geschichte des weißbärtigen dicklichen Herrn mit den rot glänzenden Wangen erkundet. Und siehe da: Vieles stimmt nicht, was man über "Santa Claus" zu wissen glaubt. Der Theologe hilft, einige der verbreitesten Irrtümer über den Weihnachtsmann zu korrigieren.
Irrtum 1: Das Outfit des Weihnachtsmanns war schon immer rot-weiß.
Nein. Die ersten Darstellungen aus dem Jahr 1847 in den USA zeigen ihn in grün-braunem Kleid, „als naturnaher Typ“ der den Winter verkörperte und eher ein verwahrloster Eremit war. Mit Geschenken kam dieser „Herr Winter“ damals noch nicht in Kontakt, er trug einen Tannenbaum auf der Schulter. In Deutschland war es der Frankfurter Arzt Heinrich Hoffmann, der Vater des Kinderbuchs „Struwwelpeter“. Er schuf 1844 unter anderem die Figur des „bösen Niklas“, der in rotem Mantel und mit phrygischer Mütze – dem Vorläufer der Zipfelmütze – unartige Kinder bestraft. Doch das Bild der Männerfigur wandelte sich in den Darstellungen. 1861 wurde das ‚Outfit’ tatsächlich rot-weiß, wohl angelehnt an die dominierenden Farben des amerikanischen Sezessionskriegs, glaubt Manfred Becker-Huberti. Und: der Weihnachtsmann wurde zum Geschenkeüberbringer an den Weihnachtstagen.
Irrtum 2: Coca-Cola hat unseren heutigen Weihnachtsmann erfunden.
Nein, sagt der Weihnachtsmann-Experte: „Coca-Cola war nicht der Schöpfer des Weihnachtsmanns, aber der Propagandist“. Erst durch das US-Brause-Unternehmen wurde die Figur des Weihnachtsmanns in den 1930er-Jahren weltweit populär. Coca-Cola machte Werbung mit ihm, doch Bart und Bekleidungen der Figur waren schon vorher da. Seine Ursprünge, freilich, sind viel älter. Und fußen in Europa.
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Irrtum 3: Mantel und Mütze des Weihnachtsmanns stammen vom Nikolaus.
Höchstens anhand der Farbe Rot könnte man eine Verbindung zum kirchlichen - tja? - Paten des Weihnachtsmanns herleiten. Aber eigentlich hat das Äußere des Weihnachtsmanns nichts gemein mit dem Ornat des heiligen Nikolaus. Der taucht um das vierte Jahrhundert nach Christus erstmals in Legenden auf. Die berichten von einem heiligen Bischof in Myra, in der heutigen Türkei, der „ein Ausbund an Gerechtigkeit und Nächstenliebe“ war, wie Becker-Huberti beschreibt. Etwa zwei Jahrhunderte später springt der Kult des Heiligen nach Italien über. Im Mittelalter, ab dem Jahr 800, taucht der Nikolaus dann erstmals in Deutschland auf.
Irrtum 4: Weihnachtsmann und Nikolaus sind doch das Gleiche!
Falsch, erklärt Manfred Becker-Huberti. Die Figuren haben so gut wie nichts miteinander gemein. Der Bart mag der gleiche sein, aber schon im Schenken unterscheiden sie sich.
„Der Weihnachtsmann ist eine Kommerz-Figur“, sagt Becker-Huberti, „eine Art Fließband: Man legt etwas drauf und andere nehmen es sich herunter“. Der Nikolaus hingegen verkörpert „die christliche Botschaft der tätigen Nächstenliebe“. Er will mahnen und „das Gute belohnen und die Menschen damit daran erinnern, dass sie ein Ziel im Leben haben“. Das Schenken versucht zu verdeutlichen, „dass der Himmel die Erde berührt“.
Irrtum 5: Der Weihnachtsmann hat keinen religiösen Hintergrund.
Die Herkunft der Figur hat durchaus einen religiösen Hintergrund, sagt Theologie-Professor Manfred Becker-Huberti. Denn der Weihnachtsmann ist – indirekt – ein Produkt der Reformation, beschreibt Becker-Huberti. „Im vergangenen Jahrhundert hat der Weihnachtsmann das evangelische Brauchtum verändert. Der Weihnachtsmann hat das bei den evangelischen Christen von Martin Luther im 16. Jahrhundert als Kinderbeschenkerin eingeführte Christkind verdrängt“. Luther hatte damals die Heiligenverehrung der katholischen Kirche abgeschafft und an Stelle von St. Nikolaus das Christkind gesetzt. „Im 19. Jahrhundert wiederum ‚konvertierte’ das Christkind mit dem Auftauchen des Weihnachtsmanns zum Katholizismus und beschenkt seitdem vorwiegend katholische Kinder.“
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Irrtum 6: Der Weihnachtsmann kam schon immer am 24. Dezember.
Erst durch Luther ist Weihnachten – genauer: der 25. Dezember – für Protestanten zum Geschenke-Fest geworden, sagt Forscher Manfred Becker-Huberti: „Im Mittelalter wurden Kinder am 28. Dezember beschenkt – dem ‚Fest der Unschuldigen Kinder’. Die katholische Kirche hatte zudem Mitte des 16. Jahrhunderts in Sachen Nikolaus auf Luther reagiert: „Der Nikolausbrauch wurde neu gestaltet“. Das war auch der Ursprung des „Spekulatius“ als traditionelles Weihnachtsgebäck. So verkörperte der Nikolaus die Forderung des Konzils von Trient, wonach ein Bischof die Pflicht auferlegt bekam, seine Gemeinde regelmäßig zu besuchen, als „Spekulator“, erklärt Manfred Becker-Huberti, „also als eine Person, die sich eine Sache ansieht“. Was das Schenken angeht: Bis um das Jahr 1900 waren die Sitten und Bräuche in Deutschland geteilt: Katholiken schenkten am Nikolaustag, also am 6. Dezember. Protestanten an Heiligabend.
Irrtum 7: Weihnachtsmänner gibt es überall auf der Welt.
Das ist wohl war, wenngleich der Weihnachtsmann in einem Land auf dem Globus wohl nicht auftauchten dürfte, lacht Manfred Becker-Huberti: „Im Vatikanstaat“. Gleichwohl ist der Weihnachtsmann eine globalisierte Figur geworden, was Darstellungen auf Briefmarken weltweit zeigen, die Becker-Huberti für seine Forschung zusammen getragen hat. Ergebnis: „Der Weihnachtsmann ist überrepräsentiert“ und weit mehr zu finden als Nikoläuse oder Rentiere. In den USA wird er auch als Donald Duck im Weihnachtsmannlook verballhornt. Und in Australien ist er in Badehose zu sehen oder auf dem Surfbrett, was das Image der Figur nicht gerade hebt, findet Becker-Huberti.
Irrtum 8: Der Weihnachtsmann lebt in Lappland.
Wer schon mal in Finnland war und auf Tour hoch in den Norden dürfte daran vorbeigefahren sein, am Weihnachtsmanndorf, ein paar Kilometer hinter der Stadt Rovaniemi, in der Nähe des Polarkreises in Lappland soll sie sein, die „offizielle Heimat des Weihnachtsmanns“, der in Finnland Joulupukki heißt. Doch „der Weihnachtsmann hat unzählige Wohnorte in der Welt“, hat Manfred Becker-Huberti recherchiert. Entstanden sind sie durch den Brauch des Wunschzettels, der sich in Europa in der Zeit nach der Aufklärung ergeben hat. Weltweit finden sich heute Post-Adressen, an denen angeblich der Weihnachtsmann sitzt, um die Wünsche der Kinder zu sammeln. „Amerikanische Kinder schreiben an Santa Claus, Indiana 47579, dänische an Santa Claus Nordpolen, Julemandes Postkontor DK 3900 Nunk. In Finnland erreicht man den Weihnachtsmann unter der Adresse Santas Main Post Office FIN 96939 Napapin. Und in Deutschland gibt es mehrere Adressen: Das Weihnachtspostamt Himmelstadt bei Würzburg, die Orte Himmelpfort in Brandenburg oder Himmelsthür (bei Hildesheim) in Niedersachsen. Und in NRW ist das Christkind in 51766 Engelskirchen zu erreichen.
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Irrtum 9: Der Weihnachtsmann war immer schon eine Kommerzfigur.
Nun, an seinen Anfängen war er es noch nicht, sagt Manfred Becker-Huberti. „Die Christen brauchten eine Geschenkfigur zu Weihnachten“. Daraus ist heute ein freundlicher untersetzter Opa mit Rauschebart und roten Wangen geworden, der allerdings keinen durchweg positiven Charakter hat und etwa in Hollywood-Filmen beides verkörpert – den gutmütigen Geschenkebringer und den strafenden Knecht Ruprecht. Letztlich ist der Weihnachtsmann heute „ein Koofmich“, fasst Manfred Becker-Huberti zusammen, „ohne eigene Botschaft“. Nur an der Weihnachtsmann-Mütze sei noch „die Herkunft der Figur aus Kleinasien zu erkennen“.
Irrtum 10: Es kann nur einen Weihnachtsmann geben.
Kinder wollen oder sollen daran glauben. Doch wie das so ist Glaube und Vernunft sind zwei verschiedene Dinge. Wenn man mal nachrechnet, dann dürfte ein Weihnachtsmann alleine in der Welt nicht ausreichen, um alle Kinder pünktlich mit Geschenken zu beliefern.
Manfred Becker-Huberti verweist auf Berechnungen, wonach der Weihnachtsmann in der Welt um die 378 Millionen Kinder zu versorgen hätte. Demnach müsste er in einer Nacht weltweit etwa 100 Millionen Haushalte besuchen. „Bei der globalen Zeitverschiebung von Osten nach Westen hätte der gute Gabenbringer einen 32-Stunden-Weihnachtstag zur Verfügung“ und müsste je Sekunde 900 Besuche abstatten. Dabei kommen insgesamt 120 Millionen Kilometer Strecke zusammen, die der Weihnachtsmann nur bewältigen könnte, wenn er mit 3000-facher Schallgeschwindigkeit unterwegs wäre. Vollends zusammenkrachen würde die Theorie, zählt man noch die Beladung hinzu. Bei angenommenen 380 Tonnen Geschenkelast zum Beginn der Tour müsste der Weihnachtsmann insgesamt 250.000 fliegende Rentiere besitzen, um seinen Schlitten entsprechend vollgeladen zu bewegen. Damit würde der Weihnachts-Transport insgesamt 400.000 Tonnen wiegen, was bei Tempo 1000 in der Sekunde einen Luftwiderstand erzeugen würde, den weder Rentiere noch Weihnachtsmann aushalten könnten.
Manfred Becker-Huberti, früherer Sprecher der Erzbistums Köln, zieht deshalb als Fazit: „Ein prophaner Weihnachtsmann kann das nicht leisten.“ Hingegen: „Ein Heiliger, wie der heilige Nikolaus, würde nicht entsprechend hinterfragt werden müssen“.
(Dieser Text ist erstmals am 6. Dezember 2012 erschienen.)
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