Dortmund. Der Nikolaus hat in diesen Tagen pausenlose Sonderschichten. Allerdings kommt auch er wegen Corona nur virtuell ins Haus – und ins Klassenzimmer.

Nikolaus, komm’ in unser Haus! Es wäre ja nun an der Zeit, so zu singen, am Sonntag ist der 6. Dezember – aber nein, Corona sei auch hier möglichst vor. Ein fremder Gast in unserer Mitte, und der Heilige gehört am Ende noch zur Risikogruppe, so weiß ist sein Bart. Nur gibt es ja zum Kinder-Glück jetzt virtuelle Wege: Das Bistum Essen lässt den Bischof in den Bildschirm blicken. Videokonferenz mit Santa Claus! (So kann man auch schon mal üben für Weihnachten.)

„Ich hab’ so Lampenfieber!“ In der Ostenberg-Grundschule in Dortmund wuseln die Erst- und Zweitklässler wild durcheinander, sie wedeln mit Textblättern und können gar nicht still sitzen. „Gleich kommt der Nikolaus!“ Das „iPad Lehrer 03“ vorn auf dem Pult wackelt mit. Lampenfieber, „das hat der Nikolaus bestimmt auch“, klingt aus dem Off die Stimme der Lehrerin Sonja Blank.

Online-Kurs und Anleitung aus dem „Handbuch für Nikoläuse“

Begegnung auf dem Bildschirm: Nikolaus (rechts) und Kinder (links).
Begegnung auf dem Bildschirm: Nikolaus (rechts) und Kinder (links). © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Und oh ja, das hat er. Hat eigens einen Kurs besucht, es war eine Online-Schulung mit einem „zertifizierten Nikolaus“, hat im „Handbuch für Nikoläuse“ gelesen, aber natürlich hat Konrad Haller „trotzdem keine Ahnung, wie das rüberkommt“. Denn Haller, 50, ist zwar Schauspieler, aber als Bischof allein auf der Bühne bei Kerzenschein… „Es ist ein Wagnis.“ Er hat einen schönen alten Sessel in sein kleines Theater in Münster gestellt und auf den Tisch einen Computer, der so gar nicht ins weihnachtliche Ambiente passen will. Aus Essen haben sie ihm den Ornat gebracht , es ging nicht per Post: Der Stab war viel zu lang.

Und nun sitzt er da in tiefglänzendem Lila, mit lockigem Bart und goldenem Kreuz auf der Brust. Zoom-Konferenz an: „Wer bin ich denn?“ – „Der Nikolaus!“ Mehr als 20 Kinder schreien gleichzeitig, die Technik hält, aber sie hat ein Problem: Bei Videokonferenzen darf immer nur einer reden. Weshalb es mehr als 20 Antworten gibt auf Hallers Frage, was die Schüler denn wissen über den Bischof von Myra, aber nur eine ist zu verstehen: „Ich weiß, dass du in Büchern ganz viel Gutes getan hast.“

Kinder merken sowas: Das „goldene Buch“ vom Nikolaus ist rot

Heute hat er in seinem „goldenen Buch“ ganz viel Gutes zu lesen. Er setzt dazu die Brille auf, der Nikolaus ist in die Jahre gekommen, der „kann nicht mehr so gut sehen“. Da steht erstmal die Sonja, das ist die Lehrerin, „sehr brav“ sei sie, und Dominik kann das bestätigen: „Ich bin froh, dass die so nett ist.“ Über Dominik steht auch was drin, dass er „ein pfiffiger kleiner Mann“ ist. Das sagt das Goldene Buch über die meisten.

Bischof am Corona-Arbeitsplatz: hier beim Dirigat von „Lasst uns froh und munter sein“.
Bischof am Corona-Arbeitsplatz: hier beim Dirigat von „Lasst uns froh und munter sein“. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

„Zeig mir mal deinen Mitschüler Quentin“, sagt der Nikolaus, und also treten die Kinder vor, manchmal so nah, dass auf dem Bildschirm nur noch ihr Bauch zu sehen ist. Lisa, „die Zuverlässige“, Mila, die verlegen ihren Einhornpulli knetet, Carl, der schon „so wahnsinnig viel gelernt hat“, dass ihm manchmal der Kopf raucht. Thore, die „kleine Leseratte“, Miriam, die so gern mit dem Filzstift schreibt, obwohl sie das nicht soll, Hannah, die Klassensprecherin, oder die schüchterne Frida mit den „schönen Gedanken im Kopf“.

Der Nikolaus weiß alles über sie, es steht im „goldenen Buch“. Dass Mattia nicht immer die Wahrheit sagt („manchmal schon“), dass Julian gern Mitschüler ärgert („manchmal besser die Klappe halten“), dass Pia gern Bücher mag und Elin Arabisch kann. „Sag mal: Guten Tag, Nikolaus!“ Salam aleikum, sagt Elin, aber was „Nikolaus“ heißt, das weiß sie nicht. Aber Elias weiß etwas: „Und dein Buch ist rot!“ Womit er recht hat, „du kleiner Besserwisser“. Immerhin entdeckt der Nikolaus rechtzeitig die Rettung: Wenigstens die Buchstaben auf seinem Buch sind golden.

Keine Pause für den Bischof: „Nikoläuse essen nicht“

Der Heilige Nikolaus alias Konrad Haller im Kammertheater „Der kleine Bühnenboden“ in Münster.
Der Heilige Nikolaus alias Konrad Haller im Kammertheater „Der kleine Bühnenboden“ in Münster. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Auch Ida möchte wohl etwas vorlesen, „was hast du da für einen Zettel“? Es sind ein paar Verse: „Und ich weiß auch ein Gedicht“, tragen vier Kinder vor, „Nikolaus, vergiss mich nicht!“ Wie könnte er, und auch nicht das Lied, das sie ihm vorsingen, auswendig und in allen fünf Strophen: „Lasst uns froh und munter sein!“ Das ist dieselbe Melodie wie „Nikolaus komm’ in unser Haus!“. Konrad Haller lehnt sich zurück in seinem Sessel, nimmt die Brille ab und dirigiert. Er kann sich jetzt kurz entspannen, die nächste Schalte kommt zur vollen Stunde, keine Pause? „Nikoläuse essen nicht.“

Noch weiß er nicht, dass die Gruppe Erwachsener nach den Grundschülern weniger gut vorbereitet ist. Ein Gedicht? „Zicke, zacke, Hühnerkacke“, sagt jemand etwas hilflos. Immerhin reimt sich das. Und es passt zu dem Wunsch, den die Dortmunder Schüler dem Nikolaus noch nachrufen: „Ich wünsche mir, dass unser Schulklo nicht so stinkt.“ Fenster aufmachen, sagt Nikolaus Haller geistesgegenwärtig, „das hilft manchmal“. Der Button auf dem Bildschirm blinkt so rot wie das goldene Buch: „Meeting verlassen.“

>>INFO: DER NIKOLAUS IST AUSGEBUCHT

Corona und Kontaktbeschränkungen : Der Nikolaus hätte dieses Jahr daheimbleiben müssen. Doch das Bistum Essen hatte die Idee, den Bischof virtuell auf die Reise zu schicken: Unter www.rent-a-clause.de (Miete einen Nikolaus) bot das Ruhrbistum den Besuch des Heiligen per Videokonferenz an.

90 Auftritte von Schauspielern und einem echten Geistlichen waren von Freitag bis Montag vorgesehen. Lange dauerte es nicht, da war alles ausgebucht: Mehr als 100 Firmen, Familien, Schulkassen baten den Nikolaus zu sich. Mitbringen konnte er virtuell natürlich nichts, keinen Sack voller Geschenke, keine Süßigkeiten für Stiefel oder Teller. Und einen Knecht Ruprecht auch nicht: Das wären dann ja schon mindestens drei Haushalte gewesen.