Berlin. Hätte eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht die Germanwings-Katastrophe verhindert? Psychotherapeuten, Ärzte und Piloten lehnen die Idee ab.
Der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Rainer Richter, lehnt eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht ab. "Die Schweigepflicht ist in Fällen, in denen Patienten andere Personen gefährden, nicht das Problem", sagte Richter der Deutschen Presse-Agentur. "Schon jetzt sind Ärzte und Psychotherapeuten befugt, die Schweigepflicht zu durchbrechen, wenn sie dadurch die Schädigung Dritter verhindern können. In Fällen, in denen es um Leben und Tod geht, sind sie dazu sogar verpflichtet."
Hilfe bei Depressionen und Suizid-Gedanken
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Die Germanwings-Katastrophe in den französischen Alpen hatte eine Diskussion über die Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht für sensible Berufe wie Piloten ausgelöst. Der 27 Jahre alte Copilot des Unglücksfluges soll den bisherigen Ermittlungen zufolge das Flugzeug absichtlich zum Absturz gebracht haben.
Eine Lockerung der Schweigepflicht für bestimmte Berufe mit hohem Berufsrisiko könnte nach Ansicht des Psychotherapeuten Richter derartige Katastrophen nicht verhindern. Das Problem sei "die grundsätzliche Schwierigkeit, bei einem Menschen die Absicht, sich und insbesondere Dritte zu schädigen, verlässlich zu erkennen und die Ernsthaftigkeit einzuschätzen". Auch eine Jahre zurückliegende Behandlung einer Depression lasse eine Vorhersage einer späteren Suizidgefährdung nicht zu.
Vereinigung Cockpit gegen Lockerung der Schweigepflicht
Germanwings-AbsturzDie Vereinigung Cockpit (VC) ist klar gegen eine Lockerung der Schweigepflicht im Fall von Piloten: "Das kann nur jemand sagen, der von der Materie gar keine Ahnung hat", sagte der Präsident der Piloten-Gewerkschaft, Ilja Schulz, der "Rheinischen Post" (Dienstag). "Wenn mein Arzt von der Schweigepflicht entbunden ist, werde ich ihm gegenüber kein Problem ansprechen, weil immer die Angst vorm Fluglizenzentzug mitschwingt", so Schulz. "Besteht die Schweigepflicht, kann der Arzt dagegen echte Hilfe anbieten."
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Der Arbeitsrechtsexperte des Arbeitgeberverbandes BDA, Thomas Prinz, forderte im "Tagesspiegel" (Dienstag) sehr wohl eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht in bestimmten Fällen. "Wenn Arbeitnehmer, die in sicherheitsrelevanten Bereichen arbeiten, psychische Probleme haben, sollte eine unabhängige staatliche Stelle davon erfahren", argumentierte er. Dies könne etwa das Gesundheitsamt sein. Das gleiche gelte für Seuchen.
Fachpolitiker der schwarz-roten Koalition lehnten eine Lockerung im "Handelsblatt" (Dienstag) ab. Karl Lauterbach (SPD), selbst Arzt, sagte: "Auch heute schon können Ärzte im Rahmen eines rechtfertigenden Notstands den Arbeitgeber informieren, wenn sie fürchten müssen, dass vom Patienten Gefahr für Leib und Leben anderer ausgeht." Jens Spahn sagte der "Rheinischen Post" (Dienstag): "Die ärztliche Schweigepflicht ist ein sehr hohes Gut. ... Ich kann nur davor warnen, hier aus spekulativen Annahmen heraus mit Schnellschüssen zu kommen." (dpa)