Essen. Der Co-Pilot des abgestürzten Germanwings-Fluges hat seinen Arbeitgebern bis in die letzten Tage hinein eine offenbar psychische Erkrankung verheimlicht. Dieser Spur gehen jetzt die Ermittler in Deutschland nach.

Erste Hinweise auf eine Erkrankung des Co-Piloten Andreas Lubitz fanden die Fahnder in dessen Wohnung in Düsseldorf-Unterbach. Der 27-Jährige, der am Dienstag den Airbus 320 von Germanwings gezielt in eine Bergwand der französischen Alpen gesteuert haben soll, wobei 150 Menschen starben, war wohl schon über einige Jahre bei mehreren Ärzten in Behandlung.

Auch fand die Staatsanwaltschaft in Lubitz’ Wohnung „zerrissene, aktuelle und auch den Tattag umfassende Krankschreibungen“. Sie stammen nach Informationen der Süddeutschen Zeitung von einem rheinischen Neurologen und Psychiater. Ein Abschiedsbrief oder ein Bekennerschreiben wurde nicht gefunden.

Staatsanwaltschaft erhält Krankenakte von Co-Pilot

Die Ermittler stellten in Düsseldorf wie auch in seinem Elternhaus in Montabaur bei Koblenz Dokumente sicher, „die auf eine bestehende Erkrankung und entsprechende ärztliche Behandlungen hinweisen“. Über die Art der Erkrankung des jungen Piloten, der seit 2013 im Dienst von Germanwings stand, wurde offiziell nichts mitgeteilt.

Die Universitätsklinik Düsseldorf bestätigte, Lubitz sei im Februar und zuletzt noch am 10. März zu „diagnostischen Abklärungen“ gekommen. Er sei aber nicht wegen Depression in Behandlung gewesen. Die ärztliche Schweigepflicht mache weitere Auskünfte unmöglich. Die Krankenakte würde der Staatsanwaltschaft übergeben.Germanwings-Absturz

Lubitz steht im dringenden Verdacht, den Kapitän des Flugs 4U 9525 aus dem Cockpit ausgesperrt und den Jet mit voller Absicht auf Todeskurs gebracht zu haben. Airlines in Deutschland und weltweit haben schnell Konsequenzen aus der Katastrophe gezogen und verschärfen jetzt ihre Regeln für die Besetzung im Cockpit: Kein Pilot soll sich künftig mehr allein dort aufhalten dürfen.

Joachim Gauck und Hannelore Kraft kamen nach Haltern

Ob weitere Regeln, zum Beispiel die für psychologische Untersuchungen der Piloten, verschärft werden, ist noch offen. So wird es von der internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO verlangt. Der deutsche Co-Pilot war erst 2013 – auch nach Psycho-Tests – von der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA als „Qualitätspilot“ ausgezeichnet worden.

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Bundespräsident Joachim Gauck und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft haben in Haltern an einem Gedenkgottesdienst teilgenommen. Der Bundespräsident sprach von einem „Band des Mitleidens und des Mittrauerns“. Die Stadt trauert, weil 16 Schüler und zwei Lehrerinnen des dortigen Joseph-König-Gymnasiums unter den Toten waren.

Die Bergungsarbeiten, die gestern in den vierten Tag gingen, können sich wegen des kaum zugänglichen Geländes in dem südfranzösischen Bergtal hinziehen. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Suche nach dem zweiten Flugschreiber, der weitere Erkenntnisse zum Geschehen im Cockpit liefern könnte. Die Fluggesellschaft Germanwings, eine Lufthansa-Tochter, eröffnet heute in der Nähe der Absturzstelle ein Betreuungszentrum für Angehörige.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben uns nach eingehender, kontroverser Diskussion dazu entschlossen, das Bild des Co-Piloten zu zeigen und seinen vollen Namen zu nennen. Die zentrale Frage, die wir uns gemeinsam mit unseren Lesern stellen, war und ist: Wer ist zu einer solchen Tat fähig? Wir hatten und haben abzuwägen zwischen dem Recht der Familie des mutmaßlichen Täters, geschützt zu werden, und dem Recht der Öffentlichkeit, alle relevanten Informationen zu erhalten. In diesem Fall haben wir uns für eine umfassende Veröffentlichung in Wort und Bild entschieden. Angesichts des Ausmaßes der Tragödie sehen wir Andreas Lubitz als eine Person der Zeitgeschichte.