Berlin. Dramatische Wendung in der Germanwings-Katastrophe: Co-Pilot war für den Unglückstag krankgeschrieben und hat das seinem Arbeitgeber verheimlicht.

  • Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat eine Krankschreibung des Co-Piloten für den Katastrophen-Tag gefunden
  • Der 27-Jährige hat die Erkrankung seinem Arbeitgeber offenbar verheimlicht
  • Nach der Katastrophe werden deutsche Airlines die Zwei-Personen-Regel fürs Cockpit einführen
  • Einsatzkräfte suchen weiter nach zweitem Flugschreiber

Der Co-Pilot des abgestürzten Germanwings-Fluges hat nach Erkenntnissen der Ermittler vor seinem Arbeitgeber eine Erkrankung verheimlicht. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf fand in der Wohnung des 27-Jährigen "zerrissene, aktuelle und auch den Tattag umfassende Krankschreibungen", wie die Staatsanwaltschaft Düsseldorf am Freitag mitteilte. Abschiedsbrief oder Bekennerschreiben wurden nicht gefunden.

Ermittler hatten am Donnerstag zwei Wohnungen des Co-Piloten durchsucht, der aus Montabaur bei Koblenz stammte und seit 2013 als Copilot für Germanwings flog. Sichergestellt wurden Dokumente, "die auf eine bestehende Erkrankung und entsprechende ärztliche Behandlungen hinweisen", erklärte die Staatsanwaltschaft weiter. Über die Art der Erkrankung wurde nichts mitgeteilt, die Ermittler hatten aber nach Hinweisen auf ein psychisches Leiden gesucht.

Deutsche Fluggesellschaften führen Zwei-Personen-Regel ein

Eine Sprecherin der Lufthansa-Tochter Germanwings sagte, wenn der Copilot die Krankschreibung nicht selbst eingereicht habe, habe das Unternehmen davon keine Kenntnis bekommen. Das Luftfahrt-Bundesamt bat das Aeromedical-Center der Lufthansa um Akteneinsicht. Der 27-jährige Andreas Lubitz steht im Verdacht, auf Flug 4U 9525 den Piloten aus dem Cockpit ausgesperrt und die Maschine mit 150 Menschen an Bord mit voller Absicht auf Todeskurs gebracht zu haben.

Die deutschen Fluggesellschaften zogen schnell Konsequenzen und verschärften mit sofortiger Wirkung ihre Regeln für die Besetzung im Cockpit. Kein Pilot darf sich bis auf weiteres mehr allein dort aufhalten. Weltweit reagierten auch viele andere Airlines.

Bundespräsident Gauck trauert mit den Halternern

Bundespräsident Joachim Gauck nahm am Vormittag an einem Gedenkgottesdienst im westfälischen Haltern teil. 16 Schüler und zwei Lehrerinnen des dortigen Gymnasiums waren an Bord des Airbus, der am Dienstag auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf in den französischen Alpen an einem Bergmassiv zerschellte.

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Die Bergungsarbeiten, die am Freitag in den vierten Tag gingen, können sich in dem unwegsamen Gelände hinziehen. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Suche nach dem zweiten Flugschreiber, der weitere Erkenntnisse zum Geschehen im Cockpit liefern könnte.

Germanwings eröffnet Zentrum für Angehörige nahe Absturzstelle

Germanwings eröffnet am Samstag in der Nähe der Absturzstelle ein Betreuungszentrum für Angehörige. Für Freitag war ein vierter Sonderflug mit Hinterbliebenen aus Barcelona geplant. Von den etwa 50 Angehörigen, die am Donnerstag die Unglücksstelle besucht hatten, flogen die meisten wieder zurück nach Deutschland. Der Bundesrat gedachte zu Beginn seiner Sitzung am Freitag der Opfer, unter denen laut Auswärtigem Amt 75 Deutsche sind.

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Die Auswertung des Stimmenrekorders hatte ans Licht gebracht, dass der Copilot seinem Kollegen nach einem Toilettengang nicht mehr die automatisch verriegelte Cockpit-Tür öffnete. Danach soll er nach derzeitigem Ermittlungsstand das Flugzeug eigenmächtig auf Sinkflug gebracht haben. Bis zuletzt ist auf der Aufnahme Atmen zu hören.

Uni-Klinik Düsseldorf: Co-Pilot war Patient

Das Universitätsklinikum Düsseldorf bestätigte am Freitag, dass Lubitz dort Patient war. "Meldungen, wonach Andreas L. wegen Depressionen in unserem Haus in Behandlung gewesen sei, sind jedoch unzutreffend", erklärte eine Sprecherin.

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Die zwischenzeitlich eingeführte Zwei-Personen-Regel fürs Cockpit gilt für deutsche Airlines erst einmal vorläufig. Dies sei nach Abstimmungen mit dem Verkehrsministerium und dem Luftfahrt-Bundesamt so beschlossen worden, teilte der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) am Freitag mit. Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow hatte den Schritt auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur bereits am Donnerstagabend angekündigt.

Ermittlungen nach Germanwings-Absturz

Nach dem Absturz von Flug 4U-9525 ...
Nach dem Absturz von Flug 4U-9525 ... © Getty Images
...über den französischen Alpen...
...über den französischen Alpen... © Getty Images
...laufen die Ermittlungs- und Bergungsarbeiten.
...laufen die Ermittlungs- und Bergungsarbeiten. © Getty Images
Sofort nach dem Absturz donnern Hubschrauber über Seyne-les-Alpes...
Sofort nach dem Absturz donnern Hubschrauber über Seyne-les-Alpes... © dpa
...auf der Suche nach Trümmerteilen und Flugschreibern.
...auf der Suche nach Trümmerteilen und Flugschreibern. © dpa
Von dem kleinen Ort aus...
Von dem kleinen Ort aus... © Getty Images
... nehmen sie Kurs auf den Schauplatz der Katastrophe in den französischen Alpen. Der Felsen,...
... nehmen sie Kurs auf den Schauplatz der Katastrophe in den französischen Alpen. Der Felsen,... © Getty Images
...an dem am Dienstag der Airbus A320 der Lufthansa-Tochter zerschellte, liegt nur 15 Kilometer entfernt. Bilder…
...an dem am Dienstag der Airbus A320 der Lufthansa-Tochter zerschellte, liegt nur 15 Kilometer entfernt. Bilder… © dpa
...zeigen unzählige Trümmerteile...
...zeigen unzählige Trümmerteile... © Getty Images
...in den Felsen.
...in den Felsen. © Getty Images
Der Zugang...
Der Zugang... © Getty Images
...ist extrem schwierig. Das Gelände ist unwegsam.
...ist extrem schwierig. Das Gelände ist unwegsam. © Getty Images
Schon am Dienstagabend waren 50 Spezialkräfte zu Fuß von Seyne gestartet, um zur Unglücksstelle vorzudringen. Sie übernachtete vor Ort im Biwak - bei Temperaturen um den Gefrierpunkt.
Schon am Dienstagabend waren 50 Spezialkräfte zu Fuß von Seyne gestartet, um zur Unglücksstelle vorzudringen. Sie übernachtete vor Ort im Biwak - bei Temperaturen um den Gefrierpunkt.
An der Unfallstelle liegen unzählige Trümmer.
An der Unfallstelle liegen unzählige Trümmer. © dpa
Helfer suchen den Unfallort ab.
Helfer suchen den Unfallort ab.
"Wir sind hier im Hochgebirge", sagt Polizeichef David Galtier... © dpa
...über den Unfallort. Er koordiniert...
...über den Unfallort. Er koordiniert... © dpa
... mehr als 500 Einsatzkräfte.
... mehr als 500 Einsatzkräfte. © Getty Images
Aus der Luft wird die Unfallstelle mit dem Hubschrauber angeflogen. Helfer...
Aus der Luft wird die Unfallstelle mit dem Hubschrauber angeflogen. Helfer...
... lassen sich mit Seilen herab.
... lassen sich mit Seilen herab.
Am Mittwochmorgen...
Am Mittwochmorgen... © dpa
... sind die Berggipfel weiß von Schnee. Es hat in der Nacht geschneit. Das dürfte...
... sind die Berggipfel weiß von Schnee. Es hat in der Nacht geschneit. Das dürfte... © dpa
... die Suche zusätzlich erschweren.
... die Suche zusätzlich erschweren. © dpa
Die Wucht des Aufpralls ließ den Airbus A 320 von Germanwings laut Rettungskräften in kleinste Trümmer zerbersten.
Die Wucht des Aufpralls ließ den Airbus A 320 von Germanwings laut Rettungskräften in kleinste Trümmer zerbersten. © dpa
Ein riesiges...
Ein riesiges... © dpa
... Medienaufgebot...
... Medienaufgebot... © dpa
...verfolgt die Arbeiten vor Ort.
...verfolgt die Arbeiten vor Ort. © dpa
Die Ermittlungen...
Die Ermittlungen... © dpa
... nach dem Unglück...
... nach dem Unglück... © dpa
.. dürften Tage, vielleicht auch Wochen dauern.
.. dürften Tage, vielleicht auch Wochen dauern. © dpa
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Auch Lufthansa will die neuen Regeln für sämtliche Passagierflüge umsetzen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) begrüßte die Verschärfung. "Das Vier-Augen-Prinzip im Cockpit ist eine richtige Überlegung", sagte er am Freitag der dpa.

EU-Behörden denken ebenfalls über neue Empfehlungen nach. Kurzfristige Maßnahmen würden geprüft, hieß es. In Großbritannien ändern die meisten Airlines ihre Regeln nach einer Empfehlung der Flugsicherheitsbehörde. In Österreich verpflichtete die zuständige Austro Control alle Fluglinien zu der Änderung.

Haltern trauert um die Opfer

Trauer und Fassungslosigkeit in Haltern am See: Die 37.000-Einwohner-Stadt...
Trauer und Fassungslosigkeit in Haltern am See: Die 37.000-Einwohner-Stadt... © Lars Heidrich/Funke Foto Services
... steht am Tag nach dem Germanwings-Absturz in Frankreich unter Schock.
... steht am Tag nach dem Germanwings-Absturz in Frankreich unter Schock. "Gestern waren wir viele, heute sind wir allein" - Schüler... © Lars Heidrich/Funke Foto Services
... des Joseph-König-Gymnasiums haben 16 ihrer Mitschüler und Freund sowie zwei ihrer Lehrerinnen verloren. Die Schule...
... des Joseph-König-Gymnasiums haben 16 ihrer Mitschüler und Freund sowie zwei ihrer Lehrerinnen verloren. Die Schule... © Lars Heidrich/Funke Foto Services
... ist zum Ort der Trauer geworden. Am Mittwochvormittag...
... ist zum Ort der Trauer geworden. Am Mittwochvormittag... © dpa
... ist auch NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) gekommen, um ihre Anteilnahme auszudrücken. Zunächst...
... ist auch NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) gekommen, um ihre Anteilnahme auszudrücken. Zunächst... © dpa
... traf Löhrmann in der Schule Lehrer und Schüler,...
... traf Löhrmann in der Schule Lehrer und Schüler,... © Lars Heidrich/Funke Foto Services
... anschließend ging sie mit Schulleiter Ulrich Wessel (re.) ins Rathaus der Stadt. Dort...
... anschließend ging sie mit Schulleiter Ulrich Wessel (re.) ins Rathaus der Stadt. Dort... © Lars Heidrich/Funke Foto Services
... sprachen Wessels,...
... sprachen Wessels,... © dpa
... Löhrmann...
... Löhrmann... © dpa
... und Bürgermeister Bodo Klimpel über die Stimmung in der Stadt.
... und Bürgermeister Bodo Klimpel über die Stimmung in der Stadt. © dpa
"An unserer Schule ist nichts mehr, wie es vorher war", sagte Wessel. © Getty Images
Unzählige Kerzen...
Unzählige Kerzen... © Kai Kitschenberg/Funke Foto Services
... erinnern auf dem Schulhof des Joseph-König-Gymnasiums an die Absturz-Opfer. Die Schüler...
... erinnern auf dem Schulhof des Joseph-König-Gymnasiums an die Absturz-Opfer. Die Schüler... © Ralf Rottmann/Funke Foto Services
... werden mit ihrer Trauer nicht allein gelassen. Sie...
... werden mit ihrer Trauer nicht allein gelassen. Sie... © dpa
... werden von Notfallseelsorgern betreut. Viele Menschen...
... werden von Notfallseelsorgern betreut. Viele Menschen... © dpa
... aus Haltern versammelten sich am Abend in der Stadt,...
... aus Haltern versammelten sich am Abend in der Stadt,... © Kai Kitschenberg/Funke Foto Services
... um die Ereignisse gemeinsam zu verarbeiten.
... um die Ereignisse gemeinsam zu verarbeiten. © Kai Kitschenberg/Funke Foto Services
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Die skandinavische Fluggesellschaft SAS, Air Baltic, Norwegian und Air Canada führen ebenfalls das Vier-Augen-Prinzip ein. "Das bedeutet, dass wenn einer der Piloten das Cockpit verlässt, etwa um auf Toilette zu gehen, eines der Crewmitglieder ins Cockpit gehen muss", sagte eine Sprecherin der norwegischen Fluglinie der dpa. Von Air France hieß es, man verfolge aufmerksam die Entwicklungen und die Untersuchungsergebnisse.

Bundespräsident Gauck versprach den Angehörigen der Absturzopfer Unterstützung. Es entstehe ein "Band des Mitleidens und Mittrauerns", sagte er nach dem Gottesdienst in Haltern. Er wurde von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft begleitet.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben uns nach eingehender, kontroverser Diskussion dazu entschlossen, das Bild des Co-Piloten zu zeigen und seinen vollen Namen zu nennen. Die zentrale Frage, die wir uns gemeinsam mit unseren Lesern stellen, war und ist: Wer ist zu einer solchen Tat fähig? Wir hatten und haben abzuwägen zwischen dem Recht der Familie des mutmaßlichen Täters, geschützt zu werden, und dem Recht der Öffentlichkeit, alle relevanten Informationen zu erhalten. In diesem Fall haben wir uns für eine umfassende Veröffentlichung in Wort und Bild entschieden. Angesichts des Ausmaßes der Tragödie sehen wir Andreas Lubitz als eine Person der Zeitgeschichte.

Die Ereignisse des Tages in der Chronik 

Chronik lädt, bitte haben Sie einen Moment Geduld.(mit dpa)

Anmerkung der Redaktion: Wir haben uns nach eingehender, kontroverser Diskussion dazu entschlossen, das Bild des Co-Piloten zu zeigen und seinen vollen Namen zu nennen. Die zentrale Frage, die wir uns gemeinsam mit unseren Lesern stellen, war und ist: Wer ist zu einer solchen Tat fähig? Wir hatten und haben abzuwägen zwischen dem Recht der Familie des mutmaßlichen Täters, geschützt zu werden, und dem Recht der Öffentlichkeit, alle relevanten Informationen zu erhalten. In diesem Fall haben wir uns für eine umfassende Veröffentlichung in Wort und Bild entschieden. Angesichts des Ausmaßes der Tragödie sehen wir Andreas Lubitz als eine Person der Zeitgeschichte.