Am Niederrhein. .
Die Kapazität der Güterverkehrsstrecke Betuwe-Linie ist erschöpft. Die Deutsche Bahn rechnet mit einer Steigerung der Verkehrsmenge. Das Problem: Das dritte Gleis wird garantiert nicht schnell genug fertig sein, um mehr Züge aufzunehmen .
Dass die Kapazität der Betuwe-Linie erschöpft ist, muss Norbert Meesters niemand lang und breit erklären: „Ich habe zweieinhalb Stunden benötigt, um von Wesel nach Düsseldorf zu kommen“, erklärte der SPD-Landtagsabgeordnete aus Wesel am Mittwoch.
Der Grund: Ein Zug war ausgefallen und blockierte die Gleise. Alltag auf der Betuwe-Route. 215 Züge passieren täglich die Strecke in beide Richtungen. Damit sind die Kapazitäten der beiden Gleise erschöpft. Das sieht selbst die für die Schienen und Gleise zuständige Tochter der Deutschen Bahn, die DB Netz AG, so. Doch der Verkehr auf der Strecke, die ein wichtiger Teil des europäischen Güterverkehrskorridors Rotterdam - Genua ist, wird der Bahn kaum den Gefallen tun zu stagnieren. Im Gegenteil.
Schienenstegdämpfer sind noch nicht zugelassen
Alle Experten rechnen mit einem erheblichen Anstieg der Verkehrsmengen. Auch die Deutsche Bahn. Schon in fünf Jahren rechnet sie mit einer Steigerung auf 317 Zügen pro Tag. Bis dahin wird das dritte Gleis aber garantiert nicht gebaut sein. Bestenfalls könnten dann die Bauarbeiten beginnen, falls alle Planfeststellungsverfahren glatt über die Bühne gehen.
Auch interessant
Deshalb will sich die Bahn erstmal mit der sogenannte Blockverdichtung behelfen. Durch eine elektronische Steuerung sollen 78 Züge mehr pro Tag auf die Gleise zwischen Emmerich und Oberhausen geschickt werden. Im Gegenzug will die Deutsche Bahn schon vor dem Bau des dritten Gleises mit Lärmschutzmaßnahmen beginnen. So sollen unter anderem regelmäßig die Gleise überwacht und geschliffen werden.
Zum Betuwe-Spezial
Außerdem ist der Einbau sogenannter Schienenstegdämpfer in Abschnitten mit hoher Siedlungsdichte oder alten Gleisbestand geplant, die die Rollgeräusche der Waggons dämpfen sollen. Bis zu vier Dezibel könnte die Bahn damit einsparen. Der Haken: Die Schienenstegdämpfer können im jetzt anlaufenden Planfeststellungsverfahren für die Blockverdichtung keine Berücksichtigung finden, da die Anerkennung der Schallschutzeffekte durch das Eisenbahnbundesamt noch aussteht.
Auch politisch wird die Blockverdichtung vor dem Bau des dritten Gleises sehr kritisch gesehen. „Wenn die kommt, dann wird die Bahn kein wirtschaftliches Interesse mehr am Bau des dritten Gleises haben“, befürchtet Hans-Ulrich Krüger als SPD-Unterbezirksvorsitzender im Kreis Wesel.
Nicht ohne Grund: Während Blockverdichtung, Lärmschutz und das elektronische Stellwerk in Emmerich für 163 Millionen Euro zu haben sind, steht der Bau des dritten Gleises mit rund einer Milliarde Euro zu Buche. Dafür könnte die Kapazität der Strecke von heute 215 Züge pro Tag auf 388 gesteigert werden.
Mittelfristige Finanzplanung
Da der Bund in seiner mittelfristigen Finanzplanung in einem Dokument insgesamt 190 Millionen Euro bis 2013 für die Betuwe-Route vorgesehen hat, liegt der Verdacht nahe, dass die Bahn zunächst die Blockverdichtung vorziehen will und den Bau des dritten Gleises ins nächste Jahrzehnt verschieben will.
„Das wäre ein Verstoß gegen den Vertrag von 2002 zwischen Bund, Bahn und Land NRW. Da ist klar vorgesehen, dass erst mit den Lärmschutzmaßnahmen und dann erst mit der Blockverdichtung begonnen wird“, betont Hans-Ulrich Krüger. Der Jurist ist beamteter Staatssekretär im Innenministerium und vom Fach.
Die Deutsche Bahn scheint da eine andere Rechtsauffassung zu haben. „Das sind Vereinbarungen, keine Verträge“ erklärte der Leiter Großprojekte der DB Netz AG, Joachim Nied, nach der Sitzung des Verkehrsausschusses in der vergangenen Woche in Düsseldorf, kühl.
Sabine Weiss (CDU), Bundestagsabgeordnete für den Kreis Wesel, will noch nicht wahrhaben, dass sich etwas an der geplanten Realisierung der Betuwe-Linie etwas geändert hat.
Brief an den Staatssekretär
„Ich habe derzeit keinen Zweifel, dass sich an den Zusagen der Bundesregierung etwas geändert hat“, betont die ehemalige Dinslakener Bürgermeisterin, hat aber sicherheitshalber in der vergangenen Woche den Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Klaus-Dieter Scheurle, um kurzfristige schriftliche Mitteilung gebeten, ob sich etwas am Vertrag von 2002 geändert habe. Eine Antwort darauf hat sie bisher noch nicht erhalten.
Fest steht: „Nach den positiven Ergebnissen des Bahngipfels Ende März ist eine Menge Vertrauen in die Gültigkeit der Absprachen verloren gegangen“, bilanziert der Landtagsabgeordnete Norbert Meesters.