Athen.. Der griechische Linken-Chef Alexis Tsipras hat kaum Chancen, eine stabile Regierung zu bilden. Dennoch kündigte er bereits EU-Kreditverträge, will Guthaben ab 20.000 abschöpfen und Banken verstaatlichen. Bis Freitag muss eine Koalition stehen. Am zweiten von insgesamt drei möglichen Verhandlungstagen stand ein Treffen mit dem Chef der konservativen Neuen Demokratie auf der Tagesordnung.
Noch bis Freitagmittag hat Alexis Tsipras Zeit, in Athen eine Koalition auf die Beine zu stellen. Dann läuft das Sondierungsmandat des jungen Linkspolitikers ab. Große Chancen werden ihm nicht eingeräumt. Und eine „Regierung der Vernunft“, auf die Griechenlands europäische Partner hoffen, wäre eine solche Linkskoalition sowieso nicht.
Alexis Tsipras tut so, als sei er schon griechischer Ministerpräsident. Am Mittwoch schickte der Chef des Bündnisses der radikalen Linken (Syriza) Briefe an die EU-Kommission, den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank. Darin erklärt Tsipras, die von der Vorgängerregierung geschlossenen Kreditverträge seien durch das Ergebnis der Parlamentswahl vom Sonntag null und nichtig.
Tsipras haut auf die Pauke
Tsipras haut auf die Pauke. Das entspricht seinem Naturell. Mit 37 Jahren ist er Griechenlands jüngster Parteichef, aber kein politischer Anfänger. Seit Ende der 1980er-Jahre ist er aktiv, organisierte als Mitglied der Kommunistischen Jugend Streiks und Schulbesetzungen. Schon damals wurde deutlich: Tsipras flirtet mit der Gewalt als Mittel des politischen Kampfes.
Wie ein dunkler Schatten liegt das über seiner politischen Biografie. Als im Dezember 2008 nach dem tödlichen Schuss eines Polizisten auf einen 15-jährigen Schüler vermummte Chaoten Nacht für Nacht Autos abfackelten, Bürogebäude in Brand steckten, Geschäfte plünderten und Bankfilialen verwüsteten, zeigte Tsipras Verständnis für diese Orgie der Gewalt.
Politische Sektierer
Zehn Monate zuvor war er zum Vorsitzenden der Linkspartei Synaspismos gewählt worden. In dieser Eigenschaft führt er die Syriza, ein Bündnis von neun linksextremen und kommunistischen Parteien. Darunter sind politische Sektierer wie die „Erneuerte Kommunistische und Ökologische Linke“, die trotzkistische „Internationale Werktätige Linke“ und die maoistische „Kommunistische Organisation Griechenlands“.
Entsprechend vage sind die programmatischen Aussagen der Syriza. Tsipras gibt einerseits vor, er werde am Euro festhalten und die Mitgliedschaft seines Landes in der EU verteidigen. Andererseits will er die Hilfskredite aufkündigen, den freien Kapitalverkehr unterbinden und die Schulden streichen – er spricht von „Klassenschulden“, die auf das Konto der reichen Steuerhinterzieher gehen.
Banken verstaatlichen, Guthaben abschöpfen
Tsipras will die Banken verstaatlichen und die Einlagen der Sparer in die „Ankurbelung der Wirtschaft“ stecken. Was das konkret bedeutet, erläutert der Syriza-Politiker Manolis Glezos, ein Urgestein der griechischen Linken: alle Einlagen von mehr als 20.000 Euro sollen abgeschöpft werden. Dass die Einlagen nicht in den Banktresoren liegen, sondern sich in Form von Krediten im Wirtschaftskreislauf befinden, scheint dem Ingenieur Tsipras entgangen zu sein. Der Plan, die Guthaben zu konfiszieren, löst erhebliche Unruhe aus. Auch manche Syriza-Wähler dürften sich fragen, ob sie am Sonntag klug abgestimmt haben.
Die Partei schmückt sich zwar mit den Etiketten „links“, „gerecht“ und „fortschrittlich“. Aber einen großen Teil seines Erfolges bei der Wahl verdankt Tsipras den Stimmen von Leuten, die möglichst gar keine Veränderung wollen: enttäuschte Staatsbedienstete, die bisher vom System der Klientelwirtschaft der etablierten Parteien profitierten. Jetzt, wo die alten Parteien keine Jobs mehr verteilen können und den Staatsdienern Privilegien streichen müssen, suchen sich diese Wähler einen neuen Patron: Tsipras.
Alte Rezepte
Die 712.000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind ein wichtiges Reservoir. Rechnet man Familienangehörige hinzu, dürften hier mindestens zwei Millionen Stimmen zu holen sein. Kein Wunder, dass Tsipras den Beschluss der vorigen Regierung, bis 2015 rund 150.000 Stellen im Staatsapparat zu streichen, rückgängig machen will. Und es überrascht auch nicht, welches Rezept er gegen die hohe Arbeitslosigkeit hat: Masseneinstellungen im öffentlichen Dienst.