Guatemala-Stadt. . Miguel Angel López, Direktor der Hilfsorganisation Conacmi, sucht nach Erklärungen für die Gewalt, die Kindern in dem lateinamerikanischen Land so häufig angetan wird.

Der Guatemalteke an sich ist ja kein schlechter Mensch, woher also kommt all die Gewalt gegen Kinder in dem lateinamerikanischen Land? Fünf Erklärungsversuche von Miguel Angel López, Direktor der Hilfsorganisation Conacmi.

1.Der historische Hintergrund – Jahrhunderte der gewaltsamen Unterdrückung durch die spanischen Eroberer, ein weiteres Jahrhundert der Diktaturen, ein mehrere Jahrzehnte dauernder, blutiger Bürgerkrieg haben Gewalt zu einem „normalen“ Teil der guatemaltekischen Gesellschaft, ihrer Kultur werden lassen. In der Bevölkerung hat die Geschichte scharfe Trennlinien hinterlassen, die die Menschen auseinanderhalten: Ladinos und Indigene, Stadt- und Landvolk, Katholiken und Evangelikale, starke Männer und schwache Frauen.

2.Armut, Arbeitslosigkeit, Alkohol – Ohne diese Spirale kriminalisieren zu wollen: In Gesellschaften, in denen die Wirtschaft am Boden liegt, wenig Geld in Bildung, Gesundheit und Nachwuchs investiert wird, fehlen häufig Orientierung und Kraft für eine liebevolle Kindererziehung. Soziale Verantwortung von Unternehmen ist in Guatemala weitgehend unbekannt. Auch Unterernährung ist eine Form der Misshandlung.

3.Korruption und Überforderung des Justizapparats – Ein Land, in dem keine vier Prozent aller Straftaten überhaupt verfolgt werden, ist ein Paradies für Mörder, Schläger und Vergewaltiger.

4.Die Welt des schönen Scheins – In der Kultur der Guatemalteken setzt man gern auf die Außenansicht: Wie es innerhalb der Familie aussieht, geht niemanden etwas an. Selbst, wenn alles im Chaos versinkt, vor dem Ruf nach Hilfe steht der Stolz. Und woher soll Verständnis kommen, wenn andere Familien dasselbe erleben?

5.Die Rolle der Kinder – Kinder werden in der Armutsgesellschaft Guatemalas als Menschen ohne Rechte wahrgenommen, wohl aber mit Pflichten: Die meisten müssen als Straßenverkäufer, Schuhputzer, Wäscherinnen früh zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Sie sind ein Objekt, dessen Eigentümer die Eltern sind: Ich ernähre dieses Wesen, also ist es meine Sache, wie ich damit umgehe. Zudem ist in der männerdominierten Kultur die Vaterrolle eine Machtposition. Die Folge: Das Kind nimmt sich selbst nicht als selbstständige, aktive Persönlichkeit wahr, bleibt wehrloses Opfer.