London. .

An diesem Tag hat sich die Welt neu in die britische Monarchie verliebt: Das hübsche Lächeln der bürgerlichen Braut Kate Middleton und der Charme der jungen Windsor-Generation mit Prinz William hat die Trauung zur Traumhochzeit werden lassen.

Es war der Tag, an dem die Welt sich neu in die britische Monarchie verliebt hat. Der leichtfüßige Charme der jungen Windsor-Generation, das entspannte Lächeln einer bürgerlichen Braut und viel historischer Glanz von Old Britannia: Aus dieser Melange haben Catherine Middleton und Prinz William ihre Trauung zur Traumhochzeit des Jahres werden lassen.

„Die beiden sind ein vernünftiges Paar, das sich einer Meinung über die Natur der Liebe ist“, hatte Erzbischof Rowan Williams erklärt, „sie wollen eine einfache Zeremonie, ohne viel Tanz und Action.“ Und so fiel das von einem Millionenpublikum herbeigesehnte Ja-Wort so minimalistisch wie majestätisch zugleich aus. Bis auf einen roten Teppich nahezu ungeschmückt, atmete Westminster Abbey eine Atmosphäre von Grandezza und historischem Flair.

14 Jahre sind vorbeigerauscht, seitdem die Nation an genau dieser Stelle um Diana trauerte. Aus dem kleinen Jungen, der damals mit grollendem Gesichtsausdruck ihren Sarg begleitete, ist ein Bräutigam mit Uniform und dünner werdendem Haar geworden; ein mutterloser Sohn, den das Land fürsorglich ins Herz geschlossen hat - und das deshalb mit besonderer Anteilnahme verfolgen sollte, wie William ein neues Kapitel aufschlägt. In seinem Leben, aber auch in Bewusstsein des Landes. So schloss sich der Kreis der Erinnerungen, als der Traugottesdienst mit jener Hymne begann, die die Trauerfeier für Diana beendet hatte.

Kates glamouröser, aber unkomplizierter Auftritt

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Foto: ap © AP/Alastair Grant

Das offene Gesicht, das entspannte Lächeln der Braut Catherine Middleton wird viele an Großbritanniens verlorene Prinzessin Diana erinnert haben. Doch mit der letzten Traumhochzeit der Windsors hatte diese Trauung nur wenig gemeinsam. Kate trug eine exquisite Robe von Designerin Sarah Burton, Vertraute des jüngst verstorbenen Designerstars Alexander McQueen - eine zarte Kreation mit Ärmeln aus transparenter Spitze und einem Rock, der fiel wie eine geöffnete Blüte. Die schlanke Silhouette und nur 2,70 Meter kurze Schleppe standen als Grace-Kelly-Modezitat in klarem Kontrast zu Dianas einst überwältigend-opulenten Brautkleid. Es war eine zeitlose, mondäne und zugleich hoheitsvolle Kreation, in der Catherine erstmals auch symbolisch das Königreich vertrat: Aufgestickt in handgefertigter Spitze aus Hampton Court zieren die Symbole der einzelnen Provinzen - Disteln, Kleeblätter und Rosen - Rock und Schleppe. Ein Cartier-Diadem, geborgt von der Queen, tropfenförmige Diamantohrringe und das zum Halb-Chignon frisierte Haar vervollständigten Kates glamourösen, aber unkomplizierten Auftritt.

Dann ging alles ziemlich schnell: Nur 19 Minuten nach Einzug hatte das Paar sich bereits das Ja-Wort gegeben. Sie mögen der Versuchung wiederstehen, „den Partner zu reformieren“, gab ihnen der Geistliche mit auf den Weg: „Jeder muss dem anderen Raum und Freiheit gewähren.“ In ihrer Liebe, so der Pfarrer, seien sie nicht erhabener als andere. „Ist nicht jede Hochzeit eine königliche Hochzeit?“, fragte er.

Privatsphäre der Ehe mit einem Thronfolger geopfert

Und natürlich muss man heute weder Millionärstochter noch Prinz sein, um in einer Edel-Couture-Robe zu heiraten; natürlich ist ein solcher Tag bedeutungsvoll für alle, die ihn begehen. Und viele Paare, die gestern zugeschaut haben, haben auch ihre eigene Hochzeit Revue passieren lassen. Doch bei allen Gemeinsamkeiten mit den Ehezeremonien von Durchschnittsbriten ist den Briten bewusst, dass diese Monarchenhochzeit eben nicht ist wie jede andere Ehe. Die langen dreieinhalb Minuten, in denen Catherine Middleton an der Seite ihres Vaters zum Altar geschritten ist, waren auch ein Weg der Wandlung. Sie hat gestern ihre Privatsphäre der Ehe mit einem Thronfolger geopfert - und wird viele Dinge, die für andere normal sind, nie erreichen. Ihr Leben als „zukünftige Königin“ wird lange eines im Wartestand sein - möglicherweise wird sie erst in 30 oder 40 Jahren die Krone tragen. Mit Mutter Carole Middleton würden deshalb nur die wenigsten tauschen wollen: 94 Prozent der Britinnen sagen, dass sie unglücklich wären, wenn ihr Kind einen Prinzen heiraten würde.

Doch die Middletons wirkten wehmütig auf eine frohe Art, die Queen war sogar zum Plaudern aufgelegt und das Strahlen der Braut gab nichts preis von den Herausforderungen, die noch auf sie warten. Begleitet von den amüsierten Blicken von Bruder Harry und einem Raunen in der Abbey, kämpfte William kurz damit, Kate den zu klein geratenen Ehering anzustecken, bevor beide umjubelt in einer offenen Kutsche zum Buckingham Palast eskortiert wurden. Nach einer zarten Kuss-Szene auf dem Balkon verabschiedete sich das strahlende Paar zum Feiern.

So viel Wärme haben die Royals schon lange nicht mehr erfahren

Schon nachts hatten sich Tausende an der Paraderoute aufgestellt. Prinz William und Harry, die die Rufe durchs offene Fenster ihrer Residenz hören konnten, hatten spontan entschieden, sich persönlich zu bedanken. Kurz nach Sonnenuntergang waren sie entgegen der Sicherheitsvorschriften auf die Mall gelaufen, um Hände zu schütteln und bei einstelligen Temperaturen die Frierenden bei Laune zu halten. „Habt ihr noch Platz für mich in Eurem Zelt“, scherzte William, „denkt dran, Getränke zum Anstoßen zu besorgen.“ Empfangen wurden die beiden Prinzenbrüder wie Pop-Stars: jubelnd, kreischend, eine Seniorin aus San Francisco fiel sogar in Ohnmacht. „Wir sind so stolz auf Dich“, rief eine Frau William zu, der es mit einem Lächeln hinnahm. So viel Wärme haben die Royals schon lange nicht mehr erfahren. Aber es hat auch in London schon lange nicht mehr eine solche Jubelstimmung gegeben. Die Briten sorgen sich um die Sicherheit in ihren Wohnvierteln, um ihre Krankenkassenbeiträge und Jobs, doch immerhin eine Million Zaungäste wollten Kate und William gestern persönlich begleiten.

„Das ist wie die Weltmeisterschaft“, sagte ein Passant, „mit dem Unterschied, dass heute alle das gleiche Team anfeuern.“ Ob Malta, Los Angeles oder Bochum-Langendreer: Für Millionen Zuschauer war die Monarchenhochzeit Live-Geschichte. Auch für die Queen, die in der Westminster Abbey 1947 geheiratet hat, hier 1953 gekrönt wurde, muss der Anblick ihres Enkels an diesem Ort ein emotionaler Moment gewesen sein. In ihrem kanariengelben Woll-Ensemble - klassisch kombiniert mit einer dreireihigen Perlenkette unter dem Ausschnitt und einer Brosche fast in Höhe des Schlüsselbeins - hat sie die Mehrheit des Wettvolks überrascht: Die meisten hatten bei ihrer Hutfarbe auf Rosa oder Nachtblau getippt.

Standesdünkel ist im Königreich nicht passé, sehr wohl aber verhandelbar

Für Modefans war der Tag zweifelsohne ein gigantisches Hutspektakel. Designer Philip Treacy war mit 36 Aufträgen für Gäste ganz klar der König der Kopfbedeckungen. Er steckt auch hinter dem Scheitelschmuck von Victoria Beckham, die mit einer Kreation in Navyblau die Modejournalisten polarisiert. Manche fanden ihren Look „harsch“, andere zweifelten, ob Gatte David wirklich mit dem Ehrenorden der Queen an seinem Ralph-Lauren-Cut in der Abbey erscheinen musste. Dass Premierministergattin Samantha Cameron ganz ohne Hut zur Trauung kam, wird auch die Debatten am Wochenende weiter antreiben.

Nicht nur in Stilfragen boten die Hochzeitsgäste ein Panorama der britischen Gesellschaft: Von Elton John, dem die historische Premiere zufiel, als erster Homosexueller mit Lebenspartner zu einer royalen Trauung eingeladen zu werden, über Ex-Premierminister, Würdenträger aller Religionen und Vertretern aus 15 Nationen, in denen die Queen ebenfalls Staatsoberhaupt ist, war jede soziale Schattierung vertreten. Dass nicht zuletzt die Brauteltern - zwei ehemalige Angestellte einer Fluglinie - mit einer königlichen Kutsche zum Palast fahren durften, beweist zu guter Letzt auch, dass Standesdünkel im Königreich mit dem gestrigen Tag zwar nicht passé, sehr wohl aber verhandelbar geworden ist.

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