London..
Die Hochzeit von Prinz William und seiner Kate hat England in einen Ausnahmezustand versetzt. Mit Fähnchen und Bollerwagen pilgerten die Schaulustigen an die Strecke und waren sich einig: „Es ist wie ein Märchen.“
Diese Geschichte muss jetzt mal da anfangen, wo Nettetal englisch ist: bei den ,Friends of British Monarchy“. Sechs distinguierte Herren im feinen Anzug, rundem Hut und roter Schärpe, in Begleitung eines Dudelsacks, so sind sie nach England gekommen mit einem untertänigsten Geschenk für Kate. Ein Stück Land. Also mehr eine Bodenprobe. Vom Niederrhein. Und auf die Frage, ob sie die Freundschaft empfinden für die Briten oder für die Monarchie, antwortet Michael Fiedler mit perfekt entsetzter Augenbraue angesichts impertinenter Frage: „Das Faible gilt dem Britischen, und das Monarchische wird durchaus diskutiert.“
Nein, man muss kein Monarchist sein, um hier in London die royale Hochzeit zu feiern. Zigtausende stehen links und rechts des Weges zwischen Westminster Abbey und Buckingham Palace, wo die ganz großen Fahnen Britanniens wehen. Für Kate und William ist es ein einziger Triumphzug in offener Kutsche. Die Menschen jubeln ihnen zu, schreien, fotografieren, winken, schwenken Fähnchen dem schönen jungen Paar in Weiß und Rot, in Englands Farben; und seine blaue Schärpe macht das Britische komplett.
Hüte, Herzen, Hochzeitstag
Vorbei an Schildern, die die Menschen mitgebracht haben, hochhalten. „From Indiana, USA“ steht da, oder „Hampshire Royalists here again“. Ein paar ältere Damen mit „Will and Kate long life and happiness, und zwei jüngere halten „It should have been me“ hoch - das kann man mit „Eigentlich wäre ich es ja“ übersetzen und kommt sicher auch von Herzen.
Ob sie die Gruppe Kriegsgegner gesehen haben, man weiß es nicht. „Es sind aber auch eine Menge Leute da“, sagt einer von ihnen sportlich. Was für ein Spektakel! Hüte, Herzen, Hochzeitstag. Küsse, Kutschen und Kanonen. Die Leute sind ausgelassen, nicht ohne jeden Alkohol, aber im Rahmen eines Feiertags, tagsüber. Ja, ein erster Feiertag, England hat frei bis Dienstag, und die Pubs dürfen eine Woche lang länger öffnen. Ein „Cheers“ auf dieses Paar! „Sie ist so schön“, sagen die Leute, oder „Es ist wie ein Märchen“.
Ach, dieser Tag ist mehr. Zum Teil ist er, was uns die Warnwesten der Sicherheitsleute verraten: „Show and event crowd safety“ steht darauf. Aber dann sind Hochzeiten und runde Geburtstage auch die einzige Volksabstimmung, die die britsche Monarchie durchstehen muss: Eine Hochzeit wie diese vor lauer Kulisse und, sagen wir, höflichem Beifall, wäre ein Misstrauensvotum des regierenden Volkes. So ist es nicht gekommen, so war es auch nicht zu erwarten. So ein schönes Paar: Die beiden werden jetzt die Gesichter der Monarchie werden und die vorherigen ablösen, die im Alter ja auch immer englischer aussehen.
Mit Fähnchen und Krönchen an der Strecke
Schon in den letzten Tagen hatten Menschen begonnen, längs der Paradestrecke „The Mall“ in Zelten zu wohnen - die erste Reihe musste es sein. Die Nacht auf Freitag froren dann schon ein paar tausend draußen durch, um bloss nichts zu verpassen. Und Freitagmorgen strömen Ungezählte herbei, so viele, dass die Polizei schon gegen 9 Uhr die ersten Zuwege abriegelt. Sie kommen mit Fähnchen und Krönchen, mit Verpflegungstüten und -bollerwagen; und manche schlagen Campingstühle auf Treppen auf, eine wacklige Sache das, aufrechterhalten durch Vorfreude und gute Nerven. Manchmal, wo sie ganze Wege zustellen, bitten Polizisten um Abbau, entschiedene Menschen mit guten Manieren und weißen Handschuhen. Die andere Sorte Polizei, die bewaffnete in schwarzen Kampfanzügen, die sieht man auf den festlichen Bildern nicht. Aber da ist sie doch, absichtsvoll schlecht versteckt in den Straßenzügen dritter Hand, damit jetzt niemand mehr auf dumme Gedanken kommt.
Auf der Mall ist es zuletzt für die Menschen nur noch ein Bad in der Enge. Karnevalshüte und Kate-Masken und rot-weiß-blaue Gesichter. Kind und Mann, Maus und Kegel. Sie waren am nächsten dran, haben aber am wenigsten gesehen abseits der großen Bildschirme, wie sie im Hyde Park stehen. „Now that William is taken, can I have Harry?“, hat sich eine junge Frau aufs T-Shirt gedruckt. Und ein Mann begründet so, warum er hier ist: „Geschichte, die vorgeht.“ Und er meint nicht die Geschichte von Kate und William. Er meint eigentlich etwas, das sich auch so ausdrückt: Kate gibt es nicht mehr. Die Frau ist jetzt Catherine. Plötzlich Prinzessin? Kommende Königin.