London. . Milliarden Menschen werden die Hochzeit von Kate und William am Fernseher verfolgen. Woher aber rührt diese Faszination für die Royals. Die Historikerin Karina Urbach erklärt die tiefe Sehnsucht nach Pomp und Glamour des Adels.

Zwei Milliarden Menschen weltweit wollen das Ja-Wort von Kate und William am Fernseher miterleben. Woher kommt bloß diese Faszination mit fremden Royals, fragt sich mancher genervter Beobachter. Und muss dieser Pomp überhaupt noch sein? Karina Urbach, Historikerin an der Universität London, hat die Fragen der Hochzeitsmuffel beantwortet.

Frau Urbach, sechs deutsche Fernsehsender übertragen die Königshaus-Hochzeit live. Warum ist das Interesse der Deutschen an dem Windsor-Spektakel so groß?

Karina Urbach: Zum einen kann sich fast jeder durch persönliche Erfahrung in ein junges Hochzeitspaar hineinversetzen. Außerdem glaube ich, dass es in Deutschland durch die tiefen Einschnitte zweier Weltkriege eine Sehnsucht nach einer großen Familie gibt, einer First Family wie den Kennedys oder Windsors. Sie stehen für Kontinuität und Glamour – und in Großbritannien freilich auch für eine grandiose Seifenoper.

Warum sind die deutschen Adeligen denn vergleichsweise unbedeutend, unbekannt und uninteressant?

Urbach: Die Queen hat zwar keine echte Macht, aber man kann in Großbritannien für besondere Verdienste immer noch geadelt werden. So bleiben aristokratische Traditionen lebendiger als in einer Republik mit Bundespräsident. Wichtiger noch ist das Erbrecht als Überlebensstrategie: Der britische Adel verfügt über sehr viel Grundbesitz. Und weil selbst heute noch immer der älteste Sohn Ländereien und Titel erbt, bleibt alles in einer Hand. In Deutschland müssen meist alle Kinder bedacht werden – mit der Folge, dass Reichtum zersplittert und sich verliert. Landlose Adelige sind bei uns seit dem Ende der Monarchie 1918 gezwungen, sich wenig glamouröse Brotberufe zu suchen. Konsequenz: Der überwiegende Teil des deutschen Kleinadels unterstützte in seiner Enttäuschung den Nationalsozialismus. Und von diesem Pakt mit Hitler hat sich sein Ruf nie erholt.

Wie viel rosarote Romantik steckt in dem deutschen Blick aufs britische Königshaus?

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Von DerWesten

Urbach: Oh, eine ganze Menge. Anglophil sind wir Deutsche ja schon seit dem 19. Jahrhundert. Selbst Adolf Hitler hat den britischen Adel verehrt, ihn scharenweise auf seinen Berghof eingeladen. Heute pflegen viele Deutsche ein weichgezeichnetes Rosamunde-Pilcher-Englandbild – voller Landsitze, Lords, Ladies und lieblicher Natur. Die Realität ist anders: Der Alltag der Royals ist unglaublich arbeitsintensiv und sicher oft auch dröge, der eines Durchschnittslondoners härter als in jeder deutschen Großstadt. Grüne Hügel oder lustige Exzentriker sind die Ausnahme.

Westminster Abbey, Kutschen, Schleppe, Militärkapelle - muss der ganze Hochzeitspomp am 29. April eigentlich sein?

Urbach: Ja, auf jeden Fall – er dient ja dem Machterhalt des Königshauses. Würde diese Inszenierung nicht stattfinden, würde man sofort merken, dass sie fehlt – die Gesellschaft fordert sie regelrecht ein. Königin Victoria hat das verstanden und grandiose Hochzeiten, das weiße Brautkleid und Thronjubiläen überhaupt erst eingeführt. Zuvor wurde abends, ohne Publikum, im Brokatkleid geheiratet. Die Windsors sind sich der „fürstlichen Zeigepflichten“ sehr wohl bewusst: Das Königshaus legitimiert sich durch Pomp. Ohne diese Grandezza würden sich die Leute schnell fragen, warum es überhaupt noch eine Queen gibt und wofür sie ihr eigentlich Steuern zahlen.

Hält sich die britische Monarchie nur durch Inszenierung am Leben?

Karina Urbach mit Prinz Phillip.
Karina Urbach mit Prinz Phillip.

Urbach: Nein, sie braucht auch die aristokratische Wohltätigkeitsarbeit, wie Diana sie kultiviert hat. William und Harry haben ihr Erbe übernommen und sammeln damit Beliebtheitspunkte: Es beeindruckt die Menschen, dass jemand, der so privilegiert ist, auch etwas zurückgeben möchte.

Worauf schauen Sie als Historikerin bei der Hochzeit nächste Woche?

Urbach: Vor allem auf den Moment, wenn Kate und William sich auf dem Balkon des Buckingham Palastes küssen! Das wird viele Briten an den bewegenden Tag erinnern, als sich die Royal Family dort mit Churchill unbeeindruckt vom Bombenschutt des Zweiten Weltkrieges zeigte. Dass die Royal Air Force in dem Moment über den Palast fliegt, ist Tradition bei diesen Anlässen, aber angesichts der aktuellen Militäreinsätze der Briten auch ein starkes, politisches Statement. Und als sentimentales Detail interessiert mich vor allem, ob Kate im Brautstrauß einen Myrtenzweig trägt – er stammt dann vom selben Baum, den Queen Victoria einst aus ihrem Hochzeitsbouquet gepflanzt hat. Victoria hat es ja Glück gebracht.

Kate Middletons Fotoalbum

Knapp zwei Monate vor der Hochzeit von Prinz William und Kate Middleton hat die künftige Prinzgemahlin Einblicke in ihr privates Familien-Fotoalbum gewährt. Hier  klettert die dreijährige Kate beim Familienurlaub in Lake District in Nordengland einen Hügel hoch
Knapp zwei Monate vor der Hochzeit von Prinz William und Kate Middleton hat die künftige Prinzgemahlin Einblicke in ihr privates Familien-Fotoalbum gewährt. Hier klettert die dreijährige Kate beim Familienurlaub in Lake District in Nordengland einen Hügel hoch © AFP
Kate als Fünfjährige mit schelmischem Lächeln.
Kate als Fünfjährige mit schelmischem Lächeln. © AFP
Kate als kleines Kind mit ihrem Vater Michael und ihrer jüngeren Schwester Pippa vor den Ruinen im jordanischen Jerasch. Die Familie war 1984 in die jordanische Hauptstadt Amman gezogen, wo der Vater für zweieinhalb Jahre arbeitete. Kate ging dort in den Kindergarten.
Kate als kleines Kind mit ihrem Vater Michael und ihrer jüngeren Schwester Pippa vor den Ruinen im jordanischen Jerasch. Die Familie war 1984 in die jordanische Hauptstadt Amman gezogen, wo der Vater für zweieinhalb Jahre arbeitete. Kate ging dort in den Kindergarten. © AFP
Dieses Foto zeigt Kate im Jahr 2005 als frischgebackene Absolventin der schottischen Universität St. Andrews.
Dieses Foto zeigt Kate im Jahr 2005 als frischgebackene Absolventin der schottischen Universität St. Andrews. © Reuters
Kate lächelnd im Arm von William, am Tag der Diplomübergabe. Beide hatten in St. Andrews studiert und sich dort kennengelernt.
Kate lächelnd im Arm von William, am Tag der Diplomübergabe. Beide hatten in St. Andrews studiert und sich dort kennengelernt. © AFP
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