Köln. Für viele Fans von Michael Jackson ist es noch immer unvorstellbar, dass der King of Pop nicht mehr lebt. Seit dem Tod des Sängers hält der Fanclub „Neverland” jeden Abend eine Mahnwache auf der Domplatte in Köln.

Sie kamen noch am selben Abend. Die ersten trugen nur ihre Tränen bei sich, dann brachten sie Blumen und Plakate: „Michael, für immer ein Engel.” Im Schein roter Grablichter saßen sie schweigend auf der Domplatte und weinten um ihren Star, der in der Nacht gestorben war; später sangen sie und tanzten, sie spielten seine Musik und hielten sich an den Händen, „es war befreiend”, sagt Monika. „Es ist gut zu wissen, wo man mit seiner Trauer hin kann.”

Man kann nach Köln: Hier trauert der „Neverland”-Fanclub um Michael Jackson, seit seinem Tod jeden Tag.

Es ist ein guter Ort zum Trauern. Im Schatten der riesigen Kirche, in dem Anlass angemessenem Ambiente: An seiner Nordflanke hat das Römisch-Germanische Museum Grabdenkmäler ausgestellt und Sarkophage, die nicht ganz so gut erhaltenen, es ist also eine gewisse Grabeskühle – und wenn es regnete in den letzten Tagen, dann war da ein Dach. Hier haben sie ihre Kerzen aufgestellt, die trauerumflorten Botschaften und den kleinen Recorder, der immerzu Jackson spielt. „Darf ich lauter machen?”, fragt das Mädchen, das sich seinen Namen in den Arm gravierte; im Schaufenster des Museums spiegelt sich Werner, 50, der den „Man in the Mirror” tanzt.

Tänzer spiegelt sich

Eigentlich ist öffentliche Musik hier verboten, es gab wirklich Ordnungshüter, die diese Ordnung hüten wollten in den nun schon beinahe zwei Wochen, „die haben uns verglichen mit den Punks, den Skateboardern und den Obdachlosen”, klagt Alex – aber dann wurde „Neverland” am Dom doch still geduldet. „Sagt ja keiner was”, sagt der Müllmann mit dem Besen, „finden doch alle gut, was ihr macht.”

Dabei machen sie eigentlich nicht viel. Sie sind nur da. Manche kommen in Schwarz, und Monika, die einst den Fanclub erfand, trägt diesen Hut, der ein bisschen so aussieht wie der des Mannes, den sie nur „Michael” nennt. Monika kann manchmal kaum glauben, was sie sieht und wen: „Das geht durch alle Generationen. Es interessiert keinen, wer du bist, wo du herkommst, wieviel Geld du hast.” Werner mit der Flasche Bier. Henry, den man häufig tanzen sieht. Elshan, der den Moonwalk so gut kann. Und Ireen, diese hübsche Farbige, die sagt: „Wenn ich seine Stimme höre, bin ich so glücklich.”

Gähnende Leere

Michael dagegen, wie oft hat der geweint auf der Bühne!, erinnert sich Monika, nun weinen seine Fans, und sie singen seine Lieder, jeden Abend in Köln. Monika sagt, man sehe daran, dass die Leute „einen Anlaufpunkt brauchen, sie wollen zusammensein”, selbst die, „die nicht da waren, als es Michael schlecht ging”. Ein grandioser Musiker sei der gewesen, findet Alex, „aber auch grandios einsam” – wie die meisten Menschen in der Welt von heute, die nicht mehr sozial sei. Und hat Michael nicht davon gesungen?

„Jedes Lied war eine Botschaft”, bestätigt Monika, und es war ihr Halt. „Ich war ein Heimkind, ich hatte keine Familie, aber Michael hat mich aufgebaut.” Sie hält sich jetzt an ihren neuen Freunden fest, abends am Dom, um „diese gähnende Leere” zu bekämpfen, „es ist so unwirklich, da fehlt etwas, das immer da war”. Ireen sagt, es sei „unvorstellbar, dass der sterben kann”. Neulich ist Monika aufgewacht mit diesem Lied im Ohr. „This is it!” Was für ein Gedanke: „Das war's.”

Sternchen und Herzchen

Trauerfeier in Köln verlegt

Anlässlich der Trauerfeier für Michael Jackson in Los Angeles treffen sich auch heute seine Fans aus Köln und Umgebung am Dom. Allerdings erstmals nicht auf dem Roncalliplatz am Römisch-Germanischen Museum: Das gemeinsame Gedenken mit Live-Schaltungen nach Kalifornien wurde kurzfristig in die Gaststätte "Alter Wartesaal" neben dem Hauptbahnhof verlegt. Dort wird eine Leinwand aufgebaut, außerdem wird ein Jackson-Double auftreten. Ab 15.30 Uhr treffen sich dort die "Jacko"-Anhänger, um alles aufzubauen. Der "Wartesaal" bietet bis zu 2000 Gästen Platz.

Nun gibt es Leute, die über Michael Jackson jetzt sagen: Dieser Tod ist sein Comeback. Auch in Köln kommen sie ja jeden Abend mit den kleinen Plastiktütchen, in die genau eine CD passt, keine Hitsammlung, die sie am Dom nicht spielen. Und eigentlich, findet Jens, ist es „doch besser, dass er die geplanten Konzerte jetzt nicht mehr geben kann”. Nicht auszudenken, „er wäre auf der Bühne zusammengebrochen wie hier damals Michelle”. Schlimm. „Aber vorbei. Er muss es nicht mehr machen.”

Heute, endlich, wird es die offizielle Trauerfeier geben, drüben in Amerika. Und was am deutschen Rhein bislang eine Mahnwache war, feiert mit. Eine Live-Schaltung wird es geben, ein „Jacko”-Double und noch mehr Trauer im Bild: „We love you forever”, „Rest in Peace”, „In Loving Memory”. Dazu all die Sternchen, Herzchen und Blümchen auf dem Pflaster und immer wieder das blasse Gesicht unter den schwarzen Locken. Michael!

Wie er selbst das alles fände? „Michael wäre gerührt”, da ist Monika ganz sicher. Vielleicht auch ein bisschen erschrocken über so viel Betroffenheit. Aber vor allem: „Stolz. Weil seine Botschaft doch noch angekommen ist.” Zumindest hinterm Dom zu Cologne, Germany.