Witten. .

Leere Häuserzeilen, herumlaufende Ratten, flüchtende Mieter - das Quartier rund um die Ecke Ardey-/Annenstraße stand nach dem Aus der kleinen Sparkassenfiliale zunehmend kritisch im Fokus. Nun melden sich die verblieben Geschäftsleute zu Wort. Nicht alles sei gut. Aber ihr Viertel wollen sie sich nicht schlechtreden lassen.

Sieben Jahre hält sich Emmanuel Reiss nun schon direkt an der Ardeystraße, einen Steinwurf von der Annenstraße entfernt. Der Franzose mit der Baskenmütze auf dem Kopf besitzt einen kleinen Weinladen. Bilder aus der Provence hängen an der Wand, Pastete, Merlot, sogar Gerard Depardieus Tropfen gehen hier über den Tresen, auf der anderen Straßenseite ragen Kabel aus dem Wohnhaus, die Geschäfte, die dort mal drin waren, sind weg - Bäcker, Blumenladen, Obsthändler, Pizzeria. Exklusive Speisen und Getränke in einem verfallenen Viertel - das geht doch nicht, könnte man meinen.

Mittelständler freuen sich über die Lage

Der gelernte Koch weiß es besser: „Es ist gut, ein Geschäft nicht direkt in der Stadt zu haben“, sagt der 59-Jährige. Bei mir vor der Tür können Kunden halten und den Wein direkt einladen.“ Und auch Mittelständler freuen sich über die Lage. Ein paar Meter weiter in der Arthur-Imhausen-Straße, die parallel zur Annenstraße auf die Ardeystraße läuft, sind gleich drei Autowerkstätten beziehungsweise -händler ansässig. Er profitiere von Aldi-Markt direkt um die Ecke, sagt Kfz-Meister Michael Schreiber (50), mit seiner Werkstatt seit 21 Jahren am gleichen Standort. „Seitdem der Supermarkt da ist, hat der Verkehr deutlich zugenommen.“ Und mit ihm die Kundschaft.

Sparkassenfiliale: Es soll keinen Leerstand geben

Die Sparkassenfiliale in der Arthur-Imhausen-Straße ist nach 60 Jahren Geschichte. Möbelpacker räumten gestern Tische und Schränke raus. Vermieter Dr. Franz-Josef Kleschnitzki (57) versichert: „Es wird keinen Leerstand geben.“ Spätestens in einigen Monaten soll der Laden wieder besetzt sein.

Drei ernsthafte Interessenten gebe es, sagt Kleschnitzki. Darunter sei eine Beratungsgesellschaft sowie zwei gemeinnützige Organisationen. Ein klassisches Gewerbe wolle er dort nicht.

Irfan Sahin (38), der in der Annenstraße einen Schnellimbiss besitzt, freut sich über die Bushaltestelle vor der Tür. „Dort steigen immer viele Leute ein und aus.“ Und wenn nicht gerade gebaut werde, wie zurzeit, seien auch genügend Parkplätze da. Ein paar Meter weiter versprüht der kleine Bäckerladen Verweilatmosphäre. „Hier ist reger Publikumsverkehr. Gerade jetzt, wo es schön ist, setzen sich die Leute gerne draußen hin und trinken Kaffee“, weiß Verkäuferin Martina Seidel (44), die im Minutentakt neue Kunden bedient.

Seit Umzug 30 Prozent mehr Kunden

Dass man als Einzelhändler in dem Viertel profitieren kann, zeigt auch das Beispiel von Sabine Sirna. Die Inhaberin von „Sabines Nähstübchen“ hatte ihren Laden vor drei Jahren noch neben dem kleinen Kiosk vorne in der Annenstraße, dann zog sie an die Ecke. Sie blieb also dem Quartier treu, und das mit Erfolg: „Die Leute sehen mein Geschäft von der Ardeystraße aus“, sagt die 47-Jährige. „Ich habe ungefähr ein Viertel mehr Kunden bekommen“, schätzt sie.

Weinhändler Emmanuel Reiss bestätigt die positive Wirkung der Hauptstraße. „Wenn die Ampel auf Rot steht, gucken die Autofahrer direkt auf meinen Laden. Die denken dann: Da wollte ich doch auch noch rein.“ Etwa 30 Prozent Neukunden habe er seit seinem Umzug von Bommern an die Ardeystraße gewonnen. „Die kommen aus Dortmund, Hattingen, Bochum“, sagt der Franzose. „Sogar der Bischof von Sheffield war schon da.“