Witten. . In Witten haben die Angehörigen einer Verstorbenen deren private Krankenkasse auf die Übernahme der Kosten für die Palliativversorgung verklagt. Der Streit um diese Leistungen ist kein Einzelfall. Für viele Angehörigen ist dies gerade in der Trauerphase eine große Zusatzbelastung.
Sie gelten als Patienten erster Klasse. Doch kurz vor dem Tod sind Privatversicherte nicht so gut gestellt wie die Mitglieder der gesetzlichen Kassen. Wenn Menschen lieber zu Hause als im Krankenhaus sterben wollen, erstatten nämlich viele Privatkassen die Kosten für die ambulante Versorgung nur kulanzhalber. Oder gar nicht.
Wie zum Beispiel im Fall einer Apothekerin aus Witten. Sie ist im Jahr 2012 gestorben – zu Hause in den Armen ihrer Tochter. So, wie sie es sich gewünscht hatte. Das Palliativnetzwerk Witten kümmerte sich um die Frau, linderte die Atemnot und die Tumorschmerzen, versorgte die Wunden. Die Kosten von 3000 Euro will die private Versicherung der Patientin, die Dortmunder Continentale, aber bisher nicht übernehmen.
Streit um Kosten für Angehörige „sehr belastend“
Kein Einzelfall, wie Michael Thöns vom Palliativnetz Witten erklärt. „Es ist schwierig für Privatpatienten“, bestätigt Regina Mansfeld-Nies vom Netzwerk Siegen-Wittgenstein aus Erfahrung. Dort behandelt man alle Patienten gleich, betont sie ausdrücklich. „Wir versorgen die Patienten, wie es ihnen zusteht und denken in dieser Situation nicht über die Kostendeckung nach.“ Doch manchmal komme es vor, dass die Angehörigen hinterher die Ausgaben von der Versicherung nicht erstattet bekämen. „Das ist für die Angehörigen sehr belastend in dieser ohnehin äußerst schwierigen Situation“, sagt Ute Queckenstedt vom Hagener Palliativnetzwerk.
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Auch bekommen die Palliativteams ihre Arbeit gelegentlich gar nicht bezahlt, weil die Versicherungen nicht einspringen. Eine Erfahrung, die man sowohl in Hagen wie Siegen schon machen musste.
Gesetzlich Versicherte haben Rechtsanspruch auf Palliativversorgung
Während die gesetzlich Versicherten seit dem Jahr 2007 einen Rechtsanspruch auf eine ambulante Palliativversorgung haben, „können sich die Privatversicherten darauf nicht berufen“, weiß Rechtsanwältin Henrike Korn, die die Nachkommen der Wittener Apothekerin vor dem Amtsgericht vertritt. Nach ihren Versicherungsbedingungen seien die Privaten meist nicht dazu verpflichtet, diese Leistungen zu übernehmen. In aller Regel aber erstatten sie diese Kosten, hat bereits im Frühjahr dieses Jahres der Verband der privaten Krankenversicherungen PKV ausdrücklich betont. „Schwarze Schafe“ gebe es kaum noch, so auch Henrike Korn.
Kulanz allerdings hält sie für keine gute Grundlage. „Das ist keine Rechtssicherheit“, warnt sie.
Dass ihnen die Behandlung ebenso zusteht wie den gesetzlich Versicherten, davon ist Henrike Korn fest überzeugt. Das Verbraucherschutzrecht mache die alten Bedingungen der Versicherer unwirksam, sagt sie. Man habe es bisher verschlafen, die Bedingungen zu überarbeiten.
Continentale beruft sich auf einen Formfehler
Und dennoch ahnt sie bereits, dass sie vor dem Amtsgericht Witten unterliegen wird. Die Continentale nämlich beruft sich auf einen Formfehler: Das Palliativnetz hat Pauschalen abgerechnet. Die Pauschalen nämlich, die man auch mit den – nicht als verschwenderisch geltenden – gesetzlichen Versicherungen für die Palliativversorgung vereinbart hat. „Natürlich bezahlen wir Palliativversorgung. Wir hätten aber gern eine prüffähige Rechnung, in der Leistungen einzeln aufgelistet sind“, so ein Sprecher des Unternehmens. Das Gericht scheint diesem Argument der Versicherung zu folgen.
Doch Henrike Korn hält diese Begründung für eine „Nebelkerze“. Schließlich setzt sie sich seit eineinhalb Jahren mit der Versicherung auseinander. Das Argument des Formfehlers aber sei erst jetzt genannt worden. Falls sie unterliegt, will sie mit ihren Mandaten unbedingt in Berufung gehen, um die Frage der Kostenerstattung endlich zuverlässig klären zu lassen. „Ich halte das für einen Skandal.“