Witten. . Noch müssen Tagesmütter keine strengeren Regeln im Bereich der Sauberkeit fürchten. Jugendamt wartet Vorgaben der Landesvertretung ab.

Rote Bobby Cars, Rutschen und Schaukeln bevölkern den großen Garten. Ein Korb voller Duplosteine und Spielzeugautos stehen im Wohnzimmer. Mitten drin im Spielparadies tummeln sich Leonie, Toni, Martha, Jonna und Rasmus und genau so hatte es sich Claudia Merz (58) auch vorgestellt, als sie vor 16 Jahren Tagesmutter wurde.

„Die Idee ist mir gekommen, als wir das Haus bezogen. So viel Grundstück eignete sich bestens für einen Kinderspielplatz“, sagt die gelernte Krankenschwester, die selbst vier erwachsene Kinder hat. Kurz darauf ließ sich Claudia Merz zur Tagesmutter ausbilden. Mittlerweile betreut sie fünf Kinder im Alter von einem bis zweieinhalb Jahren. Anfang diesen Jahres hat sie sich mit Tagesmutter Rabea Brauckmann (39) zu einer so genannten Großraumpflegestelle zusammengeschlossen.

Betreuung von neun Kindern

„Wir kennen uns schon sehr lange“, sagt die 39-Jährige, „meine älteste Tochter war selbst Tageskind bei Claudia. Seitdem sind wir gute Freunde.“ Rabea Brauckmann betreut momentan zwei Kinder, sie strebt die Pflegeerlaubnis für zwei weitere an. Eine Fortbildung soll ihr dies ermöglichen. Denn die beiden Freundinnen dürfen durch ihren Zusammenschluss bis zu neun Kinder gleichzeitig betreuen.

Von morgens 7.30 Uhr bis abends 17.30 Uhr kümmern sich Rabea Brauckmann und Claudia Merz um ihre Tagespflegekinder. In Ausnahmefällen können die Kleinen auch schon mal länger bleiben. „Einige haben auch schon bei mir übernachtet“, sagt Claudia Merz. Die Kinder essen gemeinsam, sie spielen mit Duplosteinen oder Autos, musizieren, singen, werden gewickelt und schlafen gelegt.

4,20 Euro pro Kind und Stunde

Die Tagesmütter bekommen 4,20 Euro pro Kind und Stunde. 2,32 Euro davon erhalten sie für ihre Erziehungsleistungen, 1,88 Euro für materielle Aufwendungen wie Windeln oder Essen. „Ich bestreite mit dem Geld den Haushalt, aber davon leben könnte ich nicht“, sagt Merz. Ohne ihren arbeitenden Mann könnte sie sich nicht als Tagesmutter halten.

Daher schockte sie auch die Nachricht von einer neuen EU-Regelung. Nach dieser sollten Tagespflegepersonen ab diesem Jahr als Lebensmittelunternehmen gelten. Vorgaben wie ein zweiter Kühlschrank für das Essen der Kinder, Dokumentationen der eingekauften Nahrungsmittel und ein Verbot von Holzfußböden könnten wie in Berlin die Folge sein.

Keine Änderungen nötig

„Ich dachte nur, ,wenn das kommt, dann können wir schließen’“, erinnert sich Claudia Merz. Ähnlich sieht das Nadine Rübel, Koordinatorin der Awo-Servicestelle für Kindertagespflege. „Die meisten Tagesmütter könnten sich das nicht leisten.“ Auch beim Jugendamt ist man der Meinung, dass keine Änderungen der hygienischen Vorschriften nötig sind. „Wir haben bei unseren Hausbesuchen keine negativen Erfahrungen gemacht“, so Jutta Sasse (57), zuständig für die Tagespflege im Jugendamt.

Zudem habe das Landesjugendamt bislang noch keine Vorgaben gemacht, so Sasse. „Wir warten jetzt auf neue Informationen. Sobald sich Änderungen ergeben, benachrichtigen wir die Tagesmütter.“ Auch der Sprecher der EU-Kommission hat bereits Entwarnung gegeben, dass Tagespflegepersonen nach ihrer Definition nicht als Lebensmittelunternehmen gelten.

Bis klar ist, wie die Hygienevorschriften der EU letztlich umgesetzt wird, kann Claudia Merz ihr Spielparadies weiter führen wie bisher.