Witten. Die Pferdebachstraße wandelt sich zum Gesundheitsquartier. Jetzt wurde der zweite Teil des Medizinzentrums eingeweiht. Diese Mieter gibt es.

Wittens neue „Medizinmeile“ Pferdebachstraße ist ein weiteres Stück gewachsen: Am Freitagnachmittag (23.2) feierte das Immobilienunternehmen „BWO“ - hinter dem das Wittener Architekturbüro Frielinghaus Schüren steckt - Richtfest. Wo einst der Güterbahnhof Witten-Ost stand, erhebt sich nun der Rohbau des neuen Büro- und Medizinzentrums. Dessen fünf Etagen sind längst vermietet, das Interesse von Nutzern aus dem Gesundheitsbereich war enorm.

Zimmermeister Friedhelm Maikranz hebt das Schnapsglas und pfeffert es mit Schmackes in den Bausand, der Richtkranz schwebt herbei und etwa 150 Gäste feiern den großen Bau neben der neuen Radwegbrücke an der Pferdebachstraße. Der 73-jährige Vormholzer zelebriert für seinen einstigen Arbeitgeber ein paar Mal im Jahr Richtfeste in seiner Zunftkleidung, das ist eine echte Show. Er putzt dem Architekten Michael Frielinghaus die Schuhe und kassiert dafür ein Trinkgeld. Er lässt ihn sowie Mieter Christian Kappenhagen vom EN-Kreis und Bürgermeister Lars König 20 Zentimeter lange Nägel in den Balken hämmern, bis dem Stadtoberhaupt die Finger bluten. Und bittet danach ungerührt zur Gulaschsuppe.

Halten die Tradition am Leben: Zimmermann Friedhelm Maikranz (l.) und Polier Norbert Nagorny auf dem Richtfest des Medizinischen Zentrums.
Halten die Tradition am Leben: Zimmermann Friedhelm Maikranz (l.) und Polier Norbert Nagorny auf dem Richtfest des Medizinischen Zentrums. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

„Absoluter Bedarf an barrierefreien Flächen“

Beim Richtfest herrscht Vorfreude. Vor allem Mitarbeiter der elf neuen Mieter sind da. In das Erdgeschoss zieht das Gesundheitsamt des Ennepe-Ruhr-Kreises ein. Ins 1. Obergeschoss haben sich eine Zahnarztpraxis, ein Steuerberater und eine Logopädie eingemietet. Ins 2. Obergeschoss ziehen die Lebenshilfe sowie Praxen für Ergotherapie, Physiotherapie und Autismustherapie. Im dritten Geschoss findet eine große Radiologie ihr neues Zuhause, außerdem der psychologische Dienst des EN-Kreises, der außerdem das Staffelgeschoss für seine Verwaltung nutzt.

„Mit diesem Vermietungsstand hätten wir bei Baubeginn nicht gerechnet“, so Michael Frielinghaus, „wir dachten, das dauert viel länger“. Für ihn zeige dies, „dass es in Witten einen absoluten Bedarf an barrierefreien Flächen gibt“. Viel Lob gibt es für die Stadtverwaltung, die mit dem Neubau der Pferdebachstraße die Umgebung aufgewertet habe. „Ich freue mich über diese Veränderung“, so der Bauherr.

Ein Haus mit zwei Baujahren

Von der Rückseite des Medizinischen Zentrums erkennt man die Größe des Neubaus an der Pferdebachstraße in Witten.
Von der Rückseite des Medizinischen Zentrums erkennt man die Größe des Neubaus an der Pferdebachstraße in Witten. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Der geschwungene, 90 Meter lange Neubaukomplex fügt sich nahtlos an das bestehende „Medizinzentrum am Rheinischen Esel“ an, biegt aber weit in die Westfalenstraße ein. Auch ein Parkhaus wird daran gerade angefügt. Von der Gebäuderückseite aus, wo sich bereits etliche Parkplätze befinden, sieht man erst die wahre Größe des Komplexes. Nur eine schmale Fuge zwischen den Gebäuderiegeln zeigt, dass das Haus zwei verschiedene Eigentümer und zwei unterschiedliche Baujahre hat.

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Die Physiotherapiepraxis Finkensiep ist vor acht Jahren in den ersten Teil des Medizinzentrums gezogen. Ihre alte Praxis an der Wiesenstraße gaben Cyrus Michael Zarrinkar und seine Frau Katja dafür auf. Trotz höherer Miete, den Schritt haben sie nie bereut. „Wir brauchten damals mehr Platz und der Bedarf an Physiotherapie wächst immer mehr.“ Inzwischen arbeiten sie mit 18 Angestellten, besonders das Spezialgebiet „Säuglings- und Kindertherapie“ boomt. Die Barrierefreiheit, die Zentralität und die „interdisziplinäre Nachbarschaft“, so Zarrinkar, seien absolute Vorteile.

Wer hämmert am besten? Zimmermann Friedhelm Maikranz (l.) lässt  Christian Kappenhagen, Bürgermeister Lars König und Architekt Michael Frielinghaus antreten.
Wer hämmert am besten? Zimmermann Friedhelm Maikranz (l.) lässt Christian Kappenhagen, Bürgermeister Lars König und Architekt Michael Frielinghaus antreten. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Gebaut hat beide Medizinzentren das bundesweit tätige Unternehmen Dreßler. Erst vor knapp einem Jahr starteten die Arbeiten, erstaunlich schnell wuchs das 5000-qm-Gebäude in die Höhe. Dreßler wirbt mit einem durchorganisierten Bauen im „Lean“-Verfahren: Schon vor Baubeginn wird ein straffer Fahrplan für alle 25 Gewerke ausgegeben, die im Wochentakt erfüllt sein müssen. Im Rohbau sieht man auf jeder Etage Ablaufpläne, die die Aufgaben ausweisen. Neben Maurern oder Zimmerern gibt es längst Gewerke, die sich nur um Photovoltaik, die Wärmepumpe, Brandschutz oder Kernbohrungen für Kabelstränge kümmern. Wie schön, dass trotzdem die Zunfttraditionen gepflegt werden. Gesegnet sei dieses Haus.

Altes Gesundheitsamt bald zum Verkauf

Hauptmieter im neuen Medizinischen Zentrum ist der Ennepe-Ruhr-Kreis. 80 Mitarbeitende werden zum Jahresende aus dem alten Gesundheitsamt am Schwanenmarkt ausziehen. Auch seine Arbeitsstruktur krempelt das Amt um: So will man auf Einzelbüros und fest zugeordnete Arbeitsplätze verzichten. Die Beschäftigten werden mit mobilen Endgeräten in Bürolandschaften arbeiten.

„Uns haben das Konzept und die Verkehrsanbindung überzeugt und die Flächen sind wirtschaftlich zugeschnitten“, so der Technische Dezernent der Kreisverwaltung, Christian Kappenhagen. Das alte Gesundheitsamt in der Innenstadt ist marode. Die Sanierung des Gebäudes aus dem Jahr 1966 wäre zu aufwendig und teuer. Nach dem Umzug will der EN-Kreis das Haus zum Verkauf anbieten. „Wer Interesse hat, kann sich schon jetzt gern melden“, so Kappenhagen.

Die Fotostrecke zum Richtfest

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