Witten. Zu hoch, zu breit, zu wuchtig? Straßen.NRW spendiert Witten eine neue Brücke. Viele Anwohner wollen den Bau für 3,5 Millionen Euro aber nicht.
Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Oder doch? Im Zuge des demnächst anstehenden jahrelangen Neubaus der Ruhrbrücken zwischen Witten-Heven und Herbede wurde auch eine neue Lakebrücke für Fußgänger und Radfahrer ausgehandelt, bezahlt von Straßen.NRW. In der Bürgerschaft regt sich aber Widerstand: zu hoch, zu breit, zu dominant fürs Ruhrtal falle die Konstruktion aus. Am liebsten würde mancher das Geschenk über 3,5 Millionen Euro offenbar gar nicht annehmen.
Die Lakebrücke war eigentlich nur ein Randaspekt bei einem Informationsabend des „Arbeitskreises Herbeder Brücken“ jetzt in Haus Herbede. So viele Interessierte waren gekommen, dass sie gar nicht in den Rittersaal passten. Zu den Plänen für die schmale Fuß- und Fahrradbrücke zwischen Altem Zollhaus und Brennerei Sonnenschein ließ aber ein Beitrag von Thomas Schittkowski, bei Straßen.NRW für das Projekt verantwortlich, aufhorchen: „Die Lakebrücke wird keinen motorisierten Verkehr aufnehmen.“ Ist der Neubau in seiner geplanten Dimension also gar nicht erforderlich?
Kurzer Rückblick: 2021 hatte eine Machbarkeitsstudie untersucht, wie eine neue Brücke aussehen könnte. Der Vorschlag aus der Bürgerschaft, neben die heutige Querung eine parallele zweite Brücke zu bauen, wurde darin verworfen. Favorit für die jetzige enge Lakebrücke ist eine Bogenbrücke mit einer Fahrbahn in der Mitte. Die Steigung kann bei dieser Bautechnik von acht auf sechs Prozent reduziert werden. Die Bauzeit wird auf 18 Monate geschätzt, Kosten 3,5 Millionen Euro.
In einer Visualisierung hängt die neue Brücke an blauen Stahlbögen, die eine Höhe von fast zehn Metern erreichen. Das wären gut 16 Meter überm Wasserspiegel. Die für den Verkehr nutzbare Breite wird bei diesem Vorschlag von zwei auf 5,70 Meter erhöht. Die Gesamtbreite der Brücke beträgt etwa sieben Meter. Im Gegensatz zur heutigen Brücke aus dem Jahr 1984 mit ihrem schulterhohen Geländer wirkt sie wuchtig. „Sie beherrscht dann alles andere, passt das überhaupt ins Ruhrtal“, fragt sich Anwohnerin Gabriele Voss.
Brücke „dem Verkehrsministerium aus dem Kreuz geleiert“
Stadtbaurat Stefan Rommelfanger, am Mittwochabend erkrankt, hatte sich bislang für diese Pläne stark gemacht. Die jetzige Lakebrücke sei zu schmal für den zunehmenden Radverkehr und so steil, dass Rollstuhlfahrer sie nicht nutzen könnten. Dass die neue Brücke zur Internationalen Gartenschau (IGA) 2027 fertig wäre, würde gut ins Konzept passen. Denn die Stadt möchte den Ruhrtalradweg aufwerten und auf Hevener Seite anders führen.
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Offiziell wurde das großzügige Neubauvorhaben erst damit begründet, dass es im Notfall Krankenwagen und Feuerwehr als Ausweichstrecke dienen könnte, wenn die Omegabrücke über die Bahngleise für eine Bauzeit von bis zu zwölf Monaten voll gesperrt werden muss. Dieses Szenario ist so übrigens auch in der Visualisierung zu sehen. Laut Thomas Schittkowski von Straßen.NRW wird es dazu aber nie kommen.
Er deutet an, dass Rettungsfahrzeuge sowieso eher die Autobahn wählen würden. Die Lakebrücke soll dem nicht motorisierten Verkehr während der Sperrzeit zugute kommen. Radler oder Fußgänger könne man eben nicht auf eine Umleitung über Bommern oder die Autobahn nach Witten schicken. Das Bauprojekt habe er damals „als Dreingabe für die Stadt Witten dem Verkehrsministerium aus dem Kreuz geleiert.“
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Gabriele Voss, die in der kleinen Siedlung In der Lake wohnt, hatte den Zuhörenden zuvor vor Augen geführt, was sie erwartet. Während der 18-monatigen Bauzeit werde keine Freizeitnutzung im Ruhrtal möglich sein. Betroffen seien Ausflügler zu Fuß, per Rad, Schiff oder Kanu. Weil die Lakebrücke und die neue Ruhrbrücke für Autofahrer parallel gebaut werden, kommen diese erst an der Stausee-Brücke unterhalb der Autobahn über die Ruhr.
Der Herbeder Arbeitskreis „Brücken“ befürchtet mit einer breiteren Lakebrücke mehr Frequenz und mehr Tempo, wenn Radler oder Skater durch die Siedlung In der Lake düsen. „Seit mehr als zwei Jahren gibt es den Wunsch nach einer Bürgerwerkstatt zu dem Thema. Doch die Stadt hat darauf nicht reagiert“, so Voss.
Dr. Arne Meinshausen kritisiert außerdem, dass niemand über das Thema Versorgungsleitungen spreche. Sowohl Gas- als auch Telekom-Rohre verlaufen unterhalb der Brücke. Deren Verlegung komme als Kosten obendrauf. Der Arbeitskreis geht von einer längeren Bauzeit und erheblichen Folgekosten aus. Er sieht das Projekt bei fünf Millionen Euro. „Können wir diese Zugabe nicht anders aufteilen?“, fragt Meinshausen.
Planung hat wegen Personalknappheit noch nicht begonnen
Wie gering der Spielraum bei der städtischen Verkehrsabteilung ist, zeigen die wenigen Worte von Mitarbeiter Jens Sturm. Eigentlich hätte im September 2023 die Planung für die neue Lakebrücke starten sollen. Wegen Personalknappheit im Tiefbauamt sei dies noch nicht erfolgt. Zum 1. Januar 2024 konnte aber eine Stelle neu besetzt werden, diese Person soll sich nur der Brücke widmen, „und zwar mit Vollgas“.
In Sachen Umplanung des Ruhrtalradwegs für den Bereich „In der Lake“ sieht es noch mauer aus. Im April gab es eine EU-weite Ausschreibung. Laut Sturm hätten sich zwei Bewerber gemeldet – und beide als nicht geeignet erwiesen. Für eine erneute Ausschreibung gebe es im aktuellen Haushalt kein Geld.