Witten. Alina Thyssen war Wittens erste Schornsteinfeger-Gesellin. Nun kehrt sie zurück – als Meisterin mit eigenem Bezirk. Und einem zweiten Standbein.

Künftig steigt auch eine Frau den Wittenern aufs Dach: Alina Thyssen ist die erste bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger-Meisterin der Stadt. Am 1. November startet die 36-Jährige in ihren neuen Job – für viele Kunden dürfte sie trotzdem eine alte Bekannte sein.

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Schließlich hat die gebürtige Wittenerin schon im elterlichen Betrieb ihre Ausbildung gemacht, 2010 dann als erste weibliche Gesellin der Stadt im Kehrbezirk von Rudolf Peter Willems gearbeitet – also in jenem Bereich, den sie jetzt übernehmen kann, weil ihr Vorgänger in den Ruhestand geht. Für ganz Heven und einen Teil von Herbede – den Bereich bei Lohmann, In der Lake und an der Wittener Straße – wird sie zuständig sein. „Es ist wirklich ein schöner Bezirk“, schwärmt sie. Sie freut sich darauf, nach vier Jahren in Herne viele frühere Kundinnen und Kunden wiederzusehen. „Ich hoffe, sie kennen mich noch.“

Wittenerin wollte schon immer eine Glücksbringerin sein

Keine Frage: Alina Thyssen liebt ihren Job. Den Job, den auch ihr Großvater und Vater ausgeübt haben. Für die Annenerin gab es schon als Kind keinen anderen Berufswunsch. „Ich wollte immer ein Glücksbringer sein“, sagt sie schmunzelnd. Bis heute findet sie es schön, wenn sie den Menschen in ihrer Kluft ein Lächeln ins Gesicht zaubert. „Oder wenn jemand an den Knöpfen meiner Jacke dreht, um etwas Glück abzubekommen.“ Kommt das vor? „Ja klar, vor allem an Lotto-Tagen.“

Vor zehn Jahren hat Alina Thyssen ihren Meister gemacht – als erste Frau in Witten. Hier ein Foto von 2013.
Vor zehn Jahren hat Alina Thyssen ihren Meister gemacht – als erste Frau in Witten. Hier ein Foto von 2013. © Walter Fischer | Walter Fischer

Aber natürlich ging es ihr bei ihrer Berufswahl vor allem um die Arbeit. „Papa war mein Vorbild, ich hab ihn immer bewundert, wenn er auf dem Dach rumgeklettert ist“, erzählt die 36-Jährige, die inzwischen selbst Mutter einer Tochter ist. Ihr Vater habe sie damals auch voll unterstützt, als sie dann selbst Schornsteinfegerin werden wollte – als erste Frau der Stadt. „Meine Mama war weniger begeistert – sie konnte schon nicht gut hinschauen, wenn mein Vater auf den Dächern unterwegs war.“

Arbeit der Schornsteinfeger ist im Wandel

Eine Aufgabe, die in ihrem Arbeitsalltag allerdings immer weniger vorkommt. Unfallschutz, moderne Heizungen, neue Kehrtechniken: Das alles macht den Gang aufs Dach inzwischen seltener nötig. Alina Thyssen bedauert das sehr. „Ich liebe es, die Stadt zu meinen Füßen liegen zu sehen.“

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An Arbeit wird es der Meisterin, die seit vier Jahren in Herne tätig ist, dennoch nicht mangeln. Offiziell zuständig ist sie für die „hoheitlichen Aufgaben“ wie die Feuerstättenschau, die Freigabe von Schornsteinen und die Bauabnahmen etwa. Dazu kommen die Kehr- und Überprüfungsdienste, mit denen sie beauftragt werden kann. Vielleicht fährt für die dann aber auch ihr Geselle raus: „Ich habe das große Glück, dass ich Philipp Lange, der mein Nachfolger bei Willems war, übernehmen kann.“

Zweites Standbein als Energieberaterin

Allerdings: Auch mit dem Kehren könnte es irgendwann vorbei sein. Zwar hätten sich viele Menschen in der Gaskrise Kaminöfen fürs Wohnzimmer angeschafft, die nun gewartet werden müssten, sagt Thyssen. Andererseits wirbele die Energiewende auch das Schornsteinfeger-Handwerk kräftig durcheinander. „Wenn in 20 Jahren keine fossilen Brennstoffe mehr genutzt werden dürfen, fällt für uns einiges weg.“ Wärmepumpen brauchen keinen Schornsteinfeger.

Aufs Dach steigen, so wie es auf diesem Foto ein Kollege aus Gelsenkirchen tut, gehört zu den liebsten Aufgaben von Alina Thyssen. Doch häufig werden Kamine inzwischen von unten gereinigt.
Aufs Dach steigen, so wie es auf diesem Foto ein Kollege aus Gelsenkirchen tut, gehört zu den liebsten Aufgaben von Alina Thyssen. Doch häufig werden Kamine inzwischen von unten gereinigt. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Nicht nur deshalb hat sich die 36-Jährige ein zweites Standbein aufgebaut und sich zur Energieberaterin ausbilden lassen. Sondern auch, weil sie ihren Kunden die Angst vor der Energiewende nehmen will. „Ich sehe ja die Verzweiflung und Unsicherheit der Leute.“ Manche hätten aus der Not heraus intakte Gasheizungen rausgerissen und sich neue einbauen lassen. „Nur damit sie weiterhin Bestandsschutz haben.“ Dabei müsse man keine Angst haben, dass für die alte Heizung von jetzt auf gleich Schluss sei. „Es wird auch in Zukunft weiterhin Gasfeuerstätten geben“, versichert die Meisterin. Dann aber beispielsweise kombiniert mit regenerativen Energien wie Photovoltaik.

Einige Mitbewerber für Wittener Bezirk

Aber Schluss mit der Zukunftsmusik. Jetzt soll es erstmal mit dem Schornsteinfegen losgehen. Alina Thyssen ist glücklich, trotz mancher Mitbewerber den Zuschlag für Witten bekommen zu haben. „Mein Herz schlägt einfach für diese Stadt und die Menschen hier.“ Die große Verantwortung, die sie mit dem Job übernimmt, kann sie nicht schrecken. „Ich freue mich auf die Herausforderung.“

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Und jetzt mal im Ernst: Bringen Schornsteinfeger denn nun wirklich Glück? „Anderen Menschen definitiv“, versichert Alina Thyssen. Und sich selbst wohl auch ein bisschen. „Schließlich darf ich jetzt in meiner Heimatstadt arbeiten.“