Witten. Eins steht fest: Schornsteinfeger bringen Glück. Im Bezirk Witten-Herbede steht jetzt ein Wechsel an. Die Herren erzählen Kurioses aus ihrem Job.
Wenn gleich zwei von ihnen mit Zylinder und schwarzer Kluft auf der Meesmannstraße stehen, dann gucken die Herbeder und freuen sich. Denn Schornsteinfeger bringen nun mal Glück. Zum Jahreswechsel allemal. Christian Rosigkeit (36) und Rolf Eversberg (66) winken freundlich zurück. Der eine kommt, der andere geht. Schichtwechsel im Wittener Bezirk.
Pünktlich zum neuen Jahr übernimmt Rosigkeit die rund 2800 Haushalte seines älteren Kollegen – und mit ihnen auch Gesellin Stella Marxmeier (26), die schon zehn Jahre in Herbede auf die Dächer steigt. Sie tun das wirklich noch. Es komme dabei immer auf die Art der Feuerstätte an, sagen sie. Moderne Technik mache aber auch das Kehren von unten möglich.
Rolf Eversberg hat 20 Jahre in Witten-Herbede gearbeitet
Schick sehen die Drei aus mit ihren Zylindern und den goldenen Knöpfen an den schwarzen Anzügen, die sogar imprägniert sind. „Da geht kein Ruß durch“, sagt Rosigkeit. Gerne würde er auch mit der traditionellen Kopfbedeckung arbeiten. Aber das sei einfach zu unpraktisch. Sein Kollege kann ein Lied davon singen. „Wenn ich den auf dem Dach getragen habe, musste ich den Zylinder bei jedem Windstoß aus der Regenrinne oder aus dem Garten holen“, sagt Eversberg. Oder er sei damit auf Dachböden an den gespannten Wäscheleinen hängen geblieben.
50 Jahre hat er den Job gemacht, davon 20 allein in Herbede. Am vorletzten Tag des Jahres muss er sein Büro räumen. Die Tür steht offen. Eine Frau schaut herein, verabschiedet sich: „Wir werden Sie vermissen.“ Ein bisschen Wehmut kommt auf bei Rolf Eversberg. Aber sein Wohnmobil wartet auf ihn. Damit will er Europa ein bisschen bereisen.
Alles Gute wünscht er seinem Nachfolger im Stadtteil. Jetzt ist Christian Rosigkeit hier der Chef. Er kommt aus Schwerte, wo er auch seine Lehre gemacht hat. „Meister“ darf er sich seit 2011 nennen. Zuletzt hat der 36-Jährige in Dortmund gearbeitet. Ein Zufall war’s, der ihn Schornsteinfeger werden ließ. Sein Schwager war schon einer und hat den Jungen fürs Schulpraktikum drei Wochen mit auf Tour genommen.
Mit Leib und Seele Schornsteinfeger
Trotzdem wurde Rosigkeit zunächst Verfahrenstechniker und arbeitete in einem Stahlwerk: „Immer Schichtdienst und quasi in der Halle gefangen“. Da hat er sich ans Praktikum erinnert, Bewerbungen losgeschickt und will heute „nichts anderes mehr machen“. Er genießt die Freiheit, sich Termine selbst legen zu können, viel unterwegs zu sein. „Und der Umgang mit Menschen ist schön“, ergänzt Eversberg. „Man ist nie alleine.“ Nicht selten bekomme man sogar einen Kaffee angeboten.
Berufsbild hat sich verändert
Schornsteinfeger fegen nicht mehr nur den Kamin. Sie sind im Prinzip Energietechniker. Sie reinigen und kontrollieren Abgasanlagen, Feuerstätten, Rauchableitungen sowie Lüftungsanlagen. Außerdem messen sie Grenzwerte der Luftreinhaltung durch Ab- und Verbrennungsgase.Wer einen Kehrbezirk übernimmt, nennt sich nicht mehr Schornsteinfegermeister, sondern ist bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger. Christian Rosigkeit wurde die Stelle in Herbede von der Bezirksregierung für sieben Jahre zugeteilt. Danach kann er sich auf einen eigenen Wunschbezirk bewerben.
Der 66-Jährige ist in Annen aufgewachsen und wollte schon als Kind Schornsteinfeger werden. Bei einem Stück, das aus Anlass eines Jubiläums an der Hüllbergschule aufgeführt werden sollte, fehlte solch ein „schwarzer Mann“. Eversberg übernahm – „und da habe ich angefangen, mich für den Beruf zu interessieren“. Witten-Mitte war sein erster Bezirk. Damals waren er und die Kollegen noch nicht mit dem Auto unterwegs. „Ich bin im Sommer wie im Winter mit Rad oder Mofa zum Kehren gefahren.“ Und oft sei er dabei klatschnass geworden.
Verrückte Funde im Kamin
Was beide schon oft erlebt haben: verrückte Funde in Schornsteinen. „Als ich mal einen Reinigungsverschluss geöffnet habe, hat mich ein Fisch angeguckt“, erzählt Rosigkeit. „Den hat wohl ein Reiher aus Versehen fallen lassen.“ Auch versteckte Schnapsflaschen habe er schon entdeckt. Eversberg nickt. Er kennt das. Dass Schornsteinfeger tote Vögel im Kamin entdecken, sei dagegen nichts Ungewöhnliches. Er habe aber auch schon mal eine feststeckende Eule zusammen mit der Feuerwehr gerettet, erinnert sich Eversberg.
Dass die Herren für viele Menschen als Glücksbringer gelten, finden sie übrigens ganz schön. Eversberg: „Das bringt einen Vertrauensvorschuss.“ Rosigkeit hat heute sogar ein paar winzige Schornsteinfegerfiguren dabei, die er an Fotografin und Schreiberin überreicht. Da kann ja nichts mehr schiefgehen in 2022.