Witten. Wegwerfen statt einwerfen: Ein Wittener Postbote hat Briefe in Bommerholz stapelweise im Altpapier entsorgt. Das hat schwere Konsequenzen.

Briefe sind zwar aus Papier, in die blaue Tonne gehören sie aber trotzdem nicht – zumindest nicht ungelesen. Ein Zusteller hat Dutzende von Sendungen in Bommerholz einfach im Müll entsorgt. Eine bedauerliche Ausnahme, beteuert die Post. Allerdings hatte es erst im August 2022 einen ähnlichen Fall auf dem Sonnenschein gegeben.

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Christina Schmidt-Edinger kam die Sache schon seit längerem komisch vor. Die ganze letzte Woche hatte die 52-Jährige keine Post bekommen. Dabei wartet sie nach dem Tod ihrer Mutter ganz dringend auf ein amtliches Schreiben und hatte sogar schon bei der Behörde nachgefragt. Es sei längst verschickt, erfuhr sie. Aber es kam nicht an. Auch nicht, als dann am letzten Samstag ein dicker Packen im Kasten der Bommerholzerin landete – jede Menge Briefe, doch längst nicht alle für sie, mehrere auch für die Nachbarn in der Straße.

Wittenerin sah Postboten im Altpapier wühlen

Am Dienstag kam der Postbote dann wieder – und blieb ein ganzes Weilchen. „Ich hab mich gewundert, warum er nicht fuhr, und als ich rausschaute, sah ich ihn an unserem Altpapier herumhantieren“, sagt Christina Schmidt-Edinger. Er suche ein Päckchen, habe der Zusteller auf ihre Frage entgegnet, was er dort tut. Er sei dann rasch zu seinem Auto gegangen, aber erst nach einer geraumen Weile weggefahren.

Christina Schmidt-Edinger (Foto) war nicht die Einzige, die Post im Altpapier fand. Auch ihre Nachbarin Susan Chaaban entdeckte einen Stapel.
Christina Schmidt-Edinger (Foto) war nicht die Einzige, die Post im Altpapier fand. Auch ihre Nachbarin Susan Chaaban entdeckte einen Stapel. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Erst ließ die Wittenerin die seltsame Antwort auf sich beruhen, dann ließ die Sache ihr aberdoch keine Ruhe. „Erst sah in der Tonne alles normal aus. Doch als ich die oberste Schicht Papier zur Seite räumte, lag da an der Seite ein Stapel Briefe – bestimmt 30 Stück“, so die Anwohnerin. Rechnungen, Persönliches, Grußkarten, sogar ein Schreiben mit dem Vermerk „Streng vertraulich“: Post für verschiedene Menschen im Zustellbezirk rund um die Bommerholzer Straße.

Post-Hotline dankte für „die Reklamation“

Christina Schmidt-Edinger wollte ihren Fund melden, doch bei der Post-Hotline dankte man ihr nur „für die Reklamation“. Mehr als verwundert fragte sie dann einen befreundeten Postler, was sie tun solle. Der riet ihr, die Polizei einzuschalten. „Die kam dann auch gleich und hat die Briefe mitgenommen“, sagt die 52-Jährige. Kurz drauf meldete sich auch die inzwischen doch alarmierte Post. „Die Mitarbeiterin der Bezirksleitung war dann wirklich sehr bemüht.“

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Auch bei Facebook machte die Wittenerin auf ihren Fund aufmerksam. Und siehe da: Nicht nur bei ihr hatte der Briefträger eine „Sammel-Zustellung“ hinterlassen. Auch Susan Chaaban fand tief unten in ihrer Altpapiertonne 17 Briefe für verschiedene Hausnummern in der Bommerholzer Straße. „Am besten überprüft alle mal eure Tonnen“, rät sie ihren Nachbarn. Denn so manches lang erwartete Schreiben könnte sich da noch verstecken.

Polizei bittet, Unregelmäßigkeiten zu melden

Auch die Polizei, die die Ermittlungen aufgenommen hat, bittet um Mithilfe. „Wer Unregelmäßigkeiten bemerkt hat, sollte sich telefonisch unter 0234 909 8305 melden“, so Sprecher Frank Lemanis. Derzeit sei das zuständige Kommissariat dabei, die Briefe zu sichern. Im Laufe der nächsten Woche könnten sie dann vermutlich von der Post zugestellt werden.

Auch ein Brief vom Gericht landete in Witten im Müll.
Auch ein Brief vom Gericht landete in Witten im Müll. © Schmidt-Edinger

Wie viele Sendungen insgesamt weggeworfen statt eingeworfen wurden, ist unklar. Die Post bestätigt, dass eine Zahl von Briefen „im mittleren zweistelligen Bereich“ entsorgt worden sein soll. Dazu, wie lange – und warum – der Mitarbeiter seinen Job schon nicht mehr ordnungsgemäß gemacht hat, will sich der Konzern im Hinblick auf die polizeilichen Ermittlungen nicht äußern. Allerdings sei der Mitarbeiter erst vor wenigen Wochen befristet eingestellt worden und nach dem Vorfall nun nicht mehr für das Unternehmen tätig. Ihm droht außerdem ein Gerichtsverfahren. „Post-Unterdrückung“, so der offizielle Begriff, wird mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet.

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Ein Gutes hat die Sache für die Bürgerinnen und Bürger in Bommerholz dann aber doch. „Unser alter Postbote, dem ein anderer Bereich zugeteilt worden war, ist wieder bei uns im Einsatz“, sagt Susan Chaaban. Die „ganze Straße“ freue sich darüber. „Wir hatten ihn alle sehr vermisst.“ Ärgerlich nur: Auch das Ersatzschreiben vom Amt, auf das Christina Schmidt-Edinger wartet, ist noch immer verschollen. Vielleicht kommt es ja nächste Woche – oder wird noch in einer anderen Tonne gefunden.