Witten / Hattingen. Der neue Leiter der Notfallseelsorge will den Dienst zukunftsfähig machen. Wie das gehen soll, das verrät der Wahl-Wittener im Interview.

Die Notfallseelsorge im evangelischen Kirchenkreis Hattingen-Witten hat einen neuen Leiter. Im Dezember hat Ernst Alexander Biedermann die Aufgabe von Oliver Gengenbach übernommen. Nach einem Vierteljahr im Amt hat er nun die ersten Einsätze gehabt und sich in die Strukturen eingearbeitet. Im Interview spricht der 44-jährige Diakon darüber, ob der Übergang geklappt hat, was er ändern will und auf welchen Wegen er versucht, neue Menschen für die Notfallseelsorge zu begeistern.

Ihr Vorgänger Oliver Gengenbach hat die Notfallseelsorge in Witten und Hattingen aufgebaut und über 30 Jahre lang geleitet. Das sind sehr große Fußstapfen . . .

Biedermann: Ja, das weiß ich. Wenn man sich für die Notfallseelsorge interessiert, kann man den Namen Gengenbach gar nicht nicht kennen. Ich selbst habe in meiner Ausbildung Kurse bei ihm besucht. Auch deshalb habe ich das Amt mit großer Demut angetreten.

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Wie sind Sie denn zur Seelsorge gekommen? Sie haben beruflich ja schon einiges andere gemacht.

Ja, das stimmt. Direkt nach der Schule habe ich bei der Bundeswehr eine Ausbildung zum Reserveoffizier gemacht, dann Gemeindepädagogik und Diakonie sowie soziale Arbeit studiert und gleichzeitig meine Ausbildung zum Diakon am Martineum absolviert. Gearbeitet habe ich dann zunächst in der Jugendhilfe. Hier im Ruhrgebiet, aber später dann auch in Hannover, wo ich ursprünglich herstamme. Dort im Bereich Inobhutnahme von Jugendlichen.

Neue Teammitglieder gesucht

Der Kirchenkreis ist auf der Suche nach weiteren Menschen, sie sich in der Notfallseelsorge engagieren wollen. Das sollten die Interessenten mitbringen: Kraft, sich für den Nächsten einsetzen zu können, Liebe für seinen Nächsten – unabhängig von dessen Religion oder Status sowie Besonnenheit und unbedingte Teamfähigkeit. Auch Menschen, die nicht der evangelischen Kirche angehören, sind willkommen.

Weitere Infos gibt es unter https://notfallseelsorge.ekvw.net und bei Ernst Alexander Biedermann unter Tel. 01525 66 34 112.

Da lag die Notfallseelsorge hier im Kirchenkreis ja eigentlich nicht gerade nahe.

Doch. Mir war schon im Studium klar, dass ich als Seelsorger arbeiten will. In diesem Bereich habe ich Schwerpunkte gesetzt und schon vor zehn Jahren die Ausbildung zum ehrenamtlichen Notfallseelsorger gemacht. Ich habe bundesweit nach Stellen für Diakone in der Seelsorge gesucht, aber die waren rar gesät. Doch ich bin immer am Ball geblieben. Als dann die Ausschreibung für Witten kam, habe ich meinen Hut natürlich gern in den Ring geworfen.

Im Dezember war Ernst Alexander Biedermann (4.v.l.) in sein Amt als Leiter der Notfallseelsorge des Ev. Kirchenkreises Hattingen-Witten eingeführt worden. Ihn begleiteten dabei Diakon Erich Reinke, Amtsvorgänger Pfarrer Oliver Gengenbach, Farina Hentschel, Oberin Diakonisse Marianne Anschütz, Superintendentin Julia Holtz, Pastoralreferentin Mareike Jauß, Detlef Meyer und Pfarrerin Ronja Schönberg.
Im Dezember war Ernst Alexander Biedermann (4.v.l.) in sein Amt als Leiter der Notfallseelsorge des Ev. Kirchenkreises Hattingen-Witten eingeführt worden. Ihn begleiteten dabei Diakon Erich Reinke, Amtsvorgänger Pfarrer Oliver Gengenbach, Farina Hentschel, Oberin Diakonisse Marianne Anschütz, Superintendentin Julia Holtz, Pastoralreferentin Mareike Jauß, Detlef Meyer und Pfarrerin Ronja Schönberg. © Jen Strauß

Und die Auswahlgremien prompt von sich überzeugt . . .

Ja, das war ein großes Glück für mich. Es passte einfach alles. Ich wollte gern zurück in meine Wahlheimat Ruhrgebiet, der Zeitpunkt stimmte und der Job natürlich auch. Für mich ist mit der Leitung der Notfallseelsorge wirklich ein Traum in Erfüllung gegangen.

Allerdings haben Sie nur eine halbe Stelle im Büro in Witten, mit der anderen Hälfte arbeiten Sie für den Kirchenkreis Dortmund in einer Gemeinde. Pfarrer Gengenbach hatte 75 Prozent für die Notfallseelsorge. Ist das Pensum mit weniger Stunden überhaupt zu schaffen?

Mit dem Satz „Mein Gott, das ist ja gar nicht machbar!“ kann ich nichts anfangen. Es ist meine Aufgabe zu beweisen, dass es zu schaffen ist. Aber ja: Es gibt Herausforderungen. Und dies ist eine große.

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Sind Sie denn von den Ehrenamtlern gut aufgenommen worden? Der Übergang ist ja sicher gar nicht leicht, wenn ein Leiter nach so vielen Jahren geht.

Doch, ich denke, wir haben den Übergang außergewöhnlich gut hinbekommen. Ich habe das Team schon im November bei der jährlichen Fahrt nach Norderney kennenlernen können, da war Oliver Gengenbach, zu dem ich einen guten Draht habe, noch dabei. Aber ja, Sie haben recht: Die Beziehungen untereinander sind in den Jahren weit über das übliche Maß hinaus gewachsen, so etwas gibt es heute kaum noch. Da fällt der Abschied schwer. Dennoch bin ich positiv empfangen worden – und mit Erleichterung: Denn viele der Ehrenamtler sind froh, dass es mit dem Dienst überhaupt weitergeht. Und der Rest – der muss wachsen.

Pfarrer Oliver Gengenbach hatte die Notfallseelsorge über 30 Jahre geleitet.
Pfarrer Oliver Gengenbach hatte die Notfallseelsorge über 30 Jahre geleitet. © Gengenbach

Apropos wachsen: Wie ist denn Ihr neues Feld bestellt?

Sehr gut. Wir haben knapp 20 Ehrenamtler, das ist ein echter Schatz, der mir da übergeben worden ist. Ihr Niveau ist außerordentlich. Mir geht es nun zunächst darum, das Team auch zukunftsfähig zu machen. Dafür will ich zunächst an zwei Stellschrauben drehen.

An welchen?

Als Erstes habe ich begonnen, die Bereitschaftsdienste zu flexibilisieren. Bislang dauerten sie fünf Tage. Das System wird nun umgestellt auf drei Schichten pro Kalendertag. So ist es einfacher, sich für bestimmte Zeiten einzutragen – angepasst an die eigene berufliche und private Situation. Ich bin zuversichtlich, dass es uns mit diesem System gelingen kann, neue Menschen für den Dienst zu gewinnen. Ich hoffe, auch wieder mehr Pfarrerinnen und Pfarrer. Im Laufe der Jahre haben sich nur noch sehr wenige von ihnen an der Notfallseelsorge beteiligt, die fünf Tage waren in ihrem Dienstplan nur schwer unterzubringen. Jetzt könnten sie sich für bestimmte Zeiten bereiterklären.

Und was ist die andere Stellschraube?

Die Digitalisierung. Es wird künftig auch für Witten einen Onlinedienstplan geben – in Hattingen wurde der schon eingeführt. Der Plan kann dann von der Kreisleitstelle eingesehen und der Diensthabende angerufen werden. Auch das wird einiges einfacher machen.

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Schwer genug ist ihr Job ja auch so schon. Warum haben Sie ihn sich eigentlich ausgesucht?

Ach, ob er schwer ist, liegt ja im Auge des Betrachters. Ich erlebe es als sehr schön, Menschen beistehen zu können, die in Not sind. Das macht zwar vielleicht keinen Spaß, aber es macht Sinn. Und das ist es, worauf es ankommt. Aber diese Sinnhaftigkeit finden Sie in anderen Berufen nicht so häufig.

Trotzdem können die Einsätze ja sehr belastend sein. Wie schaffen Sie das?

Indem ich mir auf dem Weg dorthin klarmache, dass ich nicht allein bin. Ich habe Gott an meiner Seite. Und ein starkes Team. Anders könnte ich es vermutlich nicht leisten.