Witten. Bahnmitarbeiter setzten Rollstuhlfahrerin Meike Scheibeck in den falschen Zug. Am Ende musste die 76-Jährige aus Witten ein Taxi nehmen.
Mit der Deutschen Bahn zu fahren, kann bekanntlich manchmal einem Abenteuer gleichen. Der gebuchte Zug kommt zu spät oder gar nicht, der Anschluss wird verpasst oder der Zug ist voll und man steht auf dem Gang. Was Meike Scheibeck, 76 Jahre alt und auf den Rollstuhl angewiesen, auf ihrer Fahrt von Bochum nach Gmund am Tegernsee erlebt hat, stellt diese fast schon alltäglichen Ärgernisse aber weit in den Schatten – anschließender Streit mit dem Kundenservice der Bahn inklusive.
Doch der Reihe nach: Die Seniorin aus Bochum, die im Rigeikenhof in Witten lebt, wollte nach dem Verlust ihres Mannes bei einer Kur in dem rund 50 Kilometer südlich von München gelegenen Ort zur Ruhe kommen und zu neuen Kräften finden. Um die Anreise für ihre Mutter so angenehm wie möglich zu gestalten, kaufte ihr Tochter Silke Martin ein Erste-Klasse-Ticket, mit einmaligem Umsteigen in München. Rund siebeneinhalb Stunden sollte die Fahrt dauern. Zusätzlich buchte die 55-Jährige persönlich im DB-Reisecenter im Hauptbahnhof Bochum den Mobilitätsservice der Bahn, der ihrer Mutter beim Ein- und Aussteigen an den Bahnhöfen helfen sollte. Doch dann ging schief, was schiefgehen konnte.
Schon beim Einstieg in Bochum gab es keine Hilfe von der Deutschen Bahn
Nach rund acht Stunden Irrfahrt und mehreren Umstiegen landete die schwerbehinderte Wittenerin am Bahnhof Nürnberg – noch über 200 Kilometer von ihrem Zielort entfernt. Auf Anraten einer Mitarbeiterin des Kundenservices nahm sich die Seniorin ein Taxi. Bis heute streitet ihre Tochter mit der Bahn um eine Rückerstattung der Kosten. Bisheriges Angebot der Bahn: 44,90 Euro.
Schon beim Einstieg in den ICE am Bochumer Hauptbahnhof waren Meike Scheibeck und Tochter Silke Martin, die sie zum Gleis begleitete, auf sich allein gestellt. Von einem Mitarbeiter der Bahn war weit und breit nichts zu sehen. Ein Mitreisender half der Seniorin im Rollstuhl schließlich in den Zug und auf ihren Platz.
Ihre Tochter beschwerte sich im Reisecenter und erfuhr, dass keine Hilfsdienste für ihre Mutter vorgesehen seien. „Dabei war ich doch persönlich vor Ort, um das zu buchen. Da geht man doch davon aus, dass das dann klappt“, ärgert sich die Polizistin.
Mitarbeiter setzen Rollstuhlfahrerin in falschen Zug
Auf ihr Drängen hin nahmen die Bochumer Mitarbeiter schließlich Kontakt zum Zugpersonal und nach München auf, damit man sich dort auf die Frau im Rollstuhl einstellen konnte – und sie in Empfang nehmen würde. Doch Bahn-Mitarbeiter holten die betagte Dame vorab in Nürnberg aus dem Zug, weil sie nach deren Auskunft den Anschluss in München nicht erreichen würde. So weit, so gut. Doch statt in einen Zug nach Gmund am Tegernsee in Oberbayern setzte das Bahn-Personal Meike Scheibeck in einen Zug nach Schwäbisch Gmünd in Baden-Württemberg.
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„Als der Schaffner den Irrtum bemerkte, hat er meine Mutter in irgendeinem Dorf rausgelassen – mit einem handgeschriebenen Zettel mit ihren nächsten Verbindungen“, erzählt Silke Martin. Mit zwei weiteren Zwischenstopps: von Ansbach nach Treuchtlingen, zwei Stunden Aufenthalt, dann weiter nach München und schließlich nach Gmund. „Meine Mutter ist nicht in der Lage, das alleine zu bewältigen“, zeigt sich die Tochter heute noch sichtlich bewegt.
Irrfahrt mit der Bahn war für schwerbehinderte Seniorin eine „Tortur“
Am Bahnhof Ansbach, wo Meike Scheibeck alleine am Bahnsteig saß, suchte ihr schließlich ein dortiger Bahn-Angestellter erneut eine andere Verbindung heraus, dieses Mal zurück nach Nürnberg, dann über München nach Gmund. Doch noch während die Seniorin im Zug nach Nürnberg saß, erreichte sie die Nachricht, dass die Verbindung nach München ausgebucht sei. Sie sollte eine weitere Stunde allein am Bahnhof verbringen und auf den nächsten Zug warten. Und da platzte Tochter Silke, die telefonisch Kontakt mit ihrer Mutter hielt, endgültig der Kragen.
„Das ist doch unzumutbar, selbst wenn man gut zu Fuß ist. Aber für jemanden, der 100-prozentig auf Hilfe angewiesen ist ...“, sagt sie. Für ihre Mutter sei das Ganze eine Tortur gewesen. Und so fiel die Entscheidung, den Rest der Strecke mit dem Taxi zurückzulegen – nach Absprache mit einer Mitarbeiterin des Kundenservices. „Meine Mutter gibt immer die Taffe, aber da war sie vollkommen am Ende – und ich auch“, sagt Silke Martin.
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Von Nürnberg bis Gmund sind es über 200 Kilometer – das Taxi kostete 420 Euro. „Die hat meine Mutter vorgestreckt“, so die Tochter. Im Nachgang reichte sie Unterlagen bei der Bahn ein, füllte das dafür vorgesehene Fahrgastrechte-Formular aus. Vor kurzem hat sie eine Rückmeldung erhalten – und ist fassungslos. Meike Scheibeck werden 49 Euro ihres Ticketpreises erstattet – für den Teil der Zugstrecke, den sie nicht genutzt hat.
Die Seniorin im Rollstuhl hat laut Schreiben der Bahn keinen Anspruch auf Nutzung eines alternativen Verkehrsmittels gehabt. Es habe an diesem Tag noch weitere Verbindungen zum Zielbahnhof gegeben. Eine Fortsetzung der Fahrt sei also möglich und zumutbar gewesen. „Die sollten eigentlich persönlich mit einem Blumenstrauß bei meiner Mutter auftauchen und sich entschuldigen“, findet ihre 55-jährige Tochter. Die Begründung der Bahn empfindet sie als Hohn.
Bahn will Seniorin nun die vollen Taxikosten erstatten
Nach Hause zurückgefahren ist Meike Scheibeck übrigens nicht mit der Bahn. Sie hatte zum Ende der Kur einen Unfall und wurde mit einem Rettungswagen ins Ruhrgebiet gefahren. „Aber sonst hätte ich sie abgeholt. In einen Zug setze ich meine Mutter nicht noch einmal“, sagt Tochter Silke.
Auf Nachfrage unserer Redaktion korrigiert sich die Bahn. „Bei dieser Fahrt ist wirklich einiges schiefgelaufen, was wir heute auch nicht mehr nachvollziehen können“, so ein Sprecher. „Wir möchten uns aufrichtig entschuldigen.“ Die Kundin habe alles richtig gemacht. Normalerweise erstattet die Bahn Taxikosten bis zu einer Höhe von 80 Euro. Doch in diesem Fall wolle und werde man nun eine Ausnahme machen. Meike Scheibeck werde ihre Taxikosten in voller Höhe erstattet bekommen.
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