Witten. Bei der Firma Bauelemente Gerhartz aus Bommern haben die Mitarbeiter ab sofort einen Tag in der Woche frei. Das hat einen ernsten Hintergrund.

Einen Tag weniger in der Woche arbeiten, bei gleichbleibendem Gehalt – das klang für Kevin Gerhartz (26) von der Firma Bauelemente Gerhartz verlockend. Gemeinsam mit seinem Vater Oliver (55) hat er sich dazu entschieden, die Arbeitszeiten im familieneigenen Handwerksbetrieb in Witten-Bommern anzupassen. Ab dem 1. März stellt die Firma auf eine Vier-Tage-Woche um.

Der Grund für diese Maßnahme wird gleich beim Betreten der Büroräume deutlich. „Wir stellen ein. Bewirb dich jetzt“ steht im Schaufenster – ebenso wie auf den Firmenwagen. Gebracht hat das bisher nichts. Nicht einen einzigen Bewerber hatten die beiden in den letzten zwölf Monaten. „Wir haben es schon auf allen möglichen Wegen versucht“, sagt Kevin Gerhartz. „Über Agenturen, Online-Anzeigen, Social Media oder auch übers Jobcenter.“

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Auch das Arbeitsklima versucht das Vater-Sohn-Gespann bestmöglich zu pflegen. „Wenn es das Jahr über wenig Krankenscheine gibt, schenkt mein Vater uns dafür allen einen gemeinsamen Urlaub“, sagt Sohn Kevin. Neue Mitarbeiter hat aber auch das bisher nicht angezogen.

Wittener Firma Gerhartz: Vier-Tage-Woche soll Anreiz für neue Mitarbeiter sein

Die Folge: „Aufträge verschieben sich. Mehr als arbeiten können unsere Leute eben nicht“, sagt Oliver Gerhartz. Denn die Auftragslage ist bestens. Rollläden, Haustüren oder auch Fenster baut seine Firma unter anderem ein. Die Nachfrage reicht von Witten bis nach Köln. Deshalb entschieden sich Vater und Sohn dazu, einen in ihrem Beruf ungewöhnlichen Weg zu gehen. „Mit der Vier-Tage-Woche hoffen wir, für mögliche Mitarbeiter einen besonderen Anreiz zu schaffen, bei uns einzusteigen“, so der Firmeninhaber.

Bisher beschäftigt er neben seinem Sohn noch drei weitere Monteure. Zwei von ihnen werden künftig mittwochs frei haben, die anderen beiden freitags. „So entlasten wir die Mitarbeiter, ohne dass der Betrieb einen Tag in der Woche für Kunden geschlossen ist.“

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Die wöchentliche Arbeitszeit bleibt trotzdem gleich. Die Stunden werden auf die anderen vier Arbeitstage aufgeteilt. Das Team arbeitet also nicht mehr acht, sondern zehn Stunden pro Tag. Deswegen bleibt auch die Bezahlung gleich. Ganz zur Freude von Kevin Gerhartz.

Oliver und Kevin Gerhartz sind vom neuen Arbeitsmodell überzeugt

Er hatte im Oktober letzten Jahres die Idee zu dem neuen Arbeitszeitmodell. „Ich habe mich mit einem Freund darüber unterhalten, wie man neue Mitarbeiter gewinnen könnte, und er meinte dann, dass die Vier-Tage-Woche vielleicht reizvoll wäre.“ Denn im Handwerk scheint das Konzept nach dem Eindruck von Oliver und Kevin Gerhartz noch nicht sehr verbreitet zu sein. Zumindest ist den beiden in Witten und Umgebung kein weiterer Handwerksbetrieb bekannt, der nach dem Modell arbeitet.

Neues Arbeitszeitmodell

Nach Informationen dieser Redaktion gibt es in Witten bislang nur einen weiteren Betrieb, der mit einer Vier-Tage-Woche arbeitet. Die Firma Lobotec im Wullener Feld hat das Arbeitsmodell zum Jahresbeginn eingeführt.

Ob bereits weitere Firmen in Witten auf den fünften Arbeitstag in der Woche verzichten, ist nicht bekannt. Wie die Handwerkskammer Dortmund auf Nachfrage mitteilte, lägen dazu keine Zahlen vor.

Dabei liegen die Vorteile für Kevin Gerhartz auf der Hand. „Gerade in unserem Bereich, wo die Arbeit körperlich anstrengend ist, ist ein Tag mehr zur Erholung in der Woche sicher sinnvoll.“ Inwiefern die Vier-Tage-Woche auch in der Praxis funktioniert, wird das Team jetzt einen Monat lang testen. „Wir wollen natürlich schauen, ob das Pensum so schaffbar ist“, sagt Vater Oliver. „Aber ich denke, dass das mit der richtigen Planung, wer an welchem Tag auf welcher Baustelle ist, funktionieren wird.“

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