Witten. Viel Spott gab es zur Kreuzung Pferdebach-/Ardeystraße in Witten. Dort sollen Radler ab sofort „indirekt“ linksabbiegen. Funktioniert das?

Was hatte dieses Stückchen Asphalt im Vorfeld für eine Aufmerksamkeit bekommen! Nun ist Wittens „Wirrwarrkreuzung“ an der Ardey-/Pferdebach-/Johannisstraße endlich fertig. Am Mittwochmorgen (16.11.) wurden die Ampeln eingeschaltet. Seitdem gilt dort für Radfahrende eine moderne Form der Verkehrsführung, das „indirekte Linksabbiegen“.

Eine Neuerung sind die rot markierten „Fahrradtaschen“.
Eine Neuerung sind die rot markierten „Fahrradtaschen“. © Eike Zengerle/Stadt Witten

Der Start wirkt ein bisschen wie ein Happening des Tiefbauamts. Etwa 15 Menschen in Warnwesten verteilen sich rund um die Kreuzung. Ein Mitarbeiter des Gebäudemanagements muss auf seinem Rad immer wieder testfahren und wird dabei gefilmt. Währenddessen fließt der Verkehr. Scheinbar problemlos radeln viele auf der roten Fahrradspur geradeaus. Bei unserem Besuch biegen nur zwei Radler links ab – und beide machen’s prompt falsch.

Markierung wie auf einem Brettspiel

Ein bisschen gleicht die Kreuzung einem „Mensch-ärgere-dich-nicht“-Spielbrett. Die Radfahrenden auf Rot, der motorisierte Verkehr nutzt die grauen Flächen. Die vielen Markierungen haben den Namen „Wirrwarr“-Kreuzung geprägt, worüber sogar verschiedene TV-Magazine berichteten. Doch der Clou ist hier, dass sich Räder und Autos kaum mischen und dass die intelligente Systemsteuerung der Ampeln den Verkehr schnell abfließen lässt. Die Ampeln für Radfahrer springen dabei zwei Sekunden eher auf Grün.

Die Drohnenaufnahme zeigt die neu gestaltete Kreuzung Ardeystraße/Pferdebachstraße aus der Luft.
Die Drohnenaufnahme zeigt die neu gestaltete Kreuzung Ardeystraße/Pferdebachstraße aus der Luft. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Neu sind die „Fahrradtaschen“. Neben der roten Radspur zeigt dieses Feld an, wo man als Linksabbieger warten muss. Es ist das „indirekte Linksabbiegen“, das unter Experten als weit sicherer gilt, als wenn Radfahrende sich in den Autoverkehr mischen müssen. Dabei werden Radler außen an der Kreuzung entlanggeführt, niemals stehen sie in der gefährlichen Kreuzungsmitte.

Neuerung muss sich erst herumsprechen

Ein Beispiel: Wer aus der Pferdebachstraße nach links in die Ardeystraße einbiegen möchte, fährt zunächst auf der roten Fahrradspur geradeaus. An der Ecke zur Johannisstraße befindet sich die markierte „Fahrradtasche“. Darin wartet man dann an der Fahrradampel auf grünes Licht für Linksabbieger.

Für Witten ist das ein Novum und auf den ersten Blick verwirrend. „Es muss sich erst herumsprechen, dass es dieses Angebot in Witten jetzt gibt“, tröstet sich Wittens Radverkehrsbeauftragte Sophia Bröker. Die 26-Jährige kennt die Fahrradtaschen längst aus Münster, wo sich diese Aufstellbereiche längst etabliert haben. Auch in Dortmund, Essen, Gelsenkirchen oder Soest findet man sie. „Das kommt immer mehr. Vor allem, weil das die Radverkehrsbeauftragten einfordern“, sagt Carsten Plischka vom Herner Ingenieurbüro Geiger & Hamburgier. Er ist der Herr der Ampeln und hat auch die Lichtanlagen der Wirrwarrkreuzung programmiert. Ulf Quooß vom Tiefbauamt ist zufrieden: „Der Verkehr läuft sauber.“

Kreuzung war früher ein echter Staufaktor

Für Radfahrer gibt es jetzt eigene Linksabbiegeampeln.
Für Radfahrer gibt es jetzt eigene Linksabbiegeampeln. © Eike Zengerle/Stadt Witten

Denn was für ein Staufaktor diese Kreuzung einst war, haben viele Wittener über die lange Bauzeit für die Pferdebachstraße fast vergessen. Der ehemalige städtische Verkehrsplaner und heutige Fahrradbotschafter Andreas Müller erinnert sich: „Das ist eine Win-Win-Situation für alle Verkehrsteilnehmer. Die Radler haben jetzt eine eigene Spur, Fußgänger Gehwege an allen Seiten. Die gab es nämlich nicht.“

Für Autos gibt es jetzt zwei zusätzliche Spuren. Der Platz dafür fand sich zum Beispiel, indem Parkplätze vor der Firma ZF wegfielen. Und obwohl es früher auf der Ardeystraße zwei statt eine Geradeaus-Spur gab, fließt der Verkehr nun flüssiger. Die jeweils linke Spur war von Abbiegern stets verstopft, das sorgte für Hektik und Rückstau. Nun sind Geradeaus- und Linksabbiegerspur voneinander getrennt.

Das „indirekte Abbiegen“ hat Andreas Müller schon länger überzeugt. „Das funktioniert, aber man muss bereit sein, sich Neues anzueignen“, glaubt er. Nun, an der Kreuzung Dortmunder Straße/Husemann- und Ardeystraße gilt seit einigen Jahren ein ähnliches Prinzip – und wird bis heute nicht angenommen. Radler nutzen lieber die Fußgängerüberwege. Allerdings fehlt dort auch die rote Farbe, die den Radler an der Kreuzung nun leitet. Vielleicht macht sie ja den großen Unterschied.