Witten. Claudia Formann war lange die Wittens Integrationsbeauftragte. Nun arbeitet sie als Trauerrednerin. Denn das Thema Tod ist ihr sehr vertraut.

Der Tod hat Claudia Formann ein Leben lang begleitet. Ihre Eltern starben früh, auch zwei ihrer Brüder. Der schwerste Schicksalsschlag war es aber, als sie ihren jüngsten Sohn tot auffand – gestorben mit nur 17 Jahren an einem Herzinfarkt. „Seitdem ist nichts mehr, wie es war“, sagt die Bommeranerin. Dennoch geht sie dem Thema Tod nicht aus dem Weg – im Gegenteil. Im Ruhestand ließ sich die 64-Jährige nun zur Trauerrednerin ausbilden.

Claudia Formann (li.) arbeitet häufig für das Bestattungshaus Rumberg. Mit Bestatterin Beate Rumberg-Behrendts bespricht sie dann die Abläufe und übergibt ihr stets eine Kopie der Trauerrede.
Claudia Formann (li.) arbeitet häufig für das Bestattungshaus Rumberg. Mit Bestatterin Beate Rumberg-Behrendts bespricht sie dann die Abläufe und übergibt ihr stets eine Kopie der Trauerrede. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Claudia Formann ist in Witten keine Unbekannte. Die Diplom-Sozialarbeiterin war 24 Jahre lang bei der Stadt beschäftigt, seit 2005 als Integrationsbeauftragte. Als sie im Mai in Rente ging, war ihr klar, dass sie sich künftig nicht zur Ruhe setzen will. „Ich arbeite einfach sehr gerne mit Menschen“, betont sie. Über einen Artikel in der WAZ wurde sie auf das Thema Trauerrede aufmerksam. Sie besuchte Online-Kurse, ließ sich ausbilden und hat inzwischen etwa 50 Bestattungen im Ruhrgebiet begleitet. Mit Erfolg – kann man das fragen? Formann schmunzelt: „Ich habe jedenfalls nur positive Rückmeldungen bekommen.“

Wittenerin lässt die Trauernden über ihren Verlust reden

Ihre eigenen Erlebnisse würden ihr bei der Arbeit helfen. „Ich weiß, wie die Menschen in solchen Ausnahmesituationen reagieren“, erklärt die Wittenerin. Wie sie versuchen zu funktionieren, den Schmerz verdrängen. Und wie hilfreich es ist, wenn die Trauernden über ihren Verlust reden können, wenn man ihnen zuhört. „Das hätte mir damals auch sehr geholfen – aber der Tod ist für viele immer noch ein Tabuthema.“ Allerdings erzählt Formann ihre eigene Geschichte in den Gesprächen mit den Angehörigen nur selten. „Dabei geht es schließlich darum, den Verstorbenen den ganzen Raum zu geben.“

So kann man buchen

Einen Trauerredner oder eine Trauerrednerin kann man in der Regel direkt anfragen oder über das beauftragte Bestattungshaus buchen, die Bestatter haben in der Regel mehrere freie Redner auf ihren Listen.

Die Kosten für eine Trauerrede betragen bei Claudia Formann zwischen 200 und 345 Euro, je nachdem, ob nur eine Grabrede oder auch eine Trauerfeier geplant werden. Kontakt: 0172 9680416

Wie hat er gelebt? Was hat er erlebt? Das – und noch vieles mehr – erfragt die Trauerrednerin beim ersten Treffen von den Hinterbliebenen. „Ich bin dankbar für jede einzelne Biografie, die mir erzählt wird“, sagt sie. Denn das sei ein großer Vertrauensvorschuss. Aus all den Geschichten und Erinnerungen baut die Bommeranerin anschließend daheim eine ganz individuelle Trauerrede. „Um dem Verstorbenen einen würdevollen Abschied geben zu können, ist es mir wichtig, wirklich persönliche Worte zu finden und keine Floskeln zu verwenden“, sagt sie.

Auch ein Vaterunser gibt es auf Nachfrage

Zuhören, Anteil nehmen: Das ist auch das, was Claudia Formann für die Trauernden leisten kann. „Aber ich bin keine Seelsorgerin.“ Als freie Trauerrednerin kommt sie nicht mit dem Trost der Kirche, mit dem Versprechen des ewigen Lebens in die Trauerhäuser. Wenn gewünscht, fügt sie aber durchaus christliche Aspekte, das Vaterunser oder ein freies Gebet in ihre Grabrede ein. Das ist für sie kein Problem, denn sie hat ein Zusatzstudium „Kirche und Diakonie“ absolviert. Ist sie denn selbst gläubig? „Ich habe eine große Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod – aber es ich bete häufig: Lieber Gott, verzeih mir, dass ich nicht an dich glaube.“

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Wäre es nicht einfacher oder schöner gewesen, Rednerin auf Hochzeiten zu werden? „Die Ausbildung habe ich auch gemacht“, so die 64-Jährige. Aber das sei nicht so ihr Ding. „Zuviel Show.“ Bei der Trauer gehe es hingegen immer um echte Gefühle. „Da bin ich näher dran. Das ist meins, denn das ist das, was meinem Leben Bedeutung gibt.“ Und durch die neue Aufgabe habe sich letztlich ihr Blick auf das Sterben verändert. Claudia Formann hat verstanden, dass der Tod zum Leben dazugehört – und dadurch ist ihr Leben schöner geworden. „Denn ich weiß, dass jede Minute lebenswert ist.“