Witten. . Interview mit der Wittener Integrationsbeauftragten Claudia Formann über die neue Stellung der Frauen in der Türkisch-Islamischen Gemeinde Herbede, Tücken der Integration – und eigene ungewollte Vorurteile.

Die Wittener Integrationsbeauftragte Claudia Formann (55) bemüht sich seit nun acht Jahren um den Dialog der 113 verschiedenen Nationalitäten in Witten. Dennis Sohner sprach mit ihr über die neue Stellung der Frauen in der Türkisch-Islamischen Gemeinde Herbede, Tücken der Integration – und eigene ungewollte Vorurteile.

Was sagen Sie zur neuen Stellung der Frauen in der Gemeinde?

Beim Tag der offenen Tür und Besichtigungen hatte ich schon zuvor das Gefühl, dass Frauen in vorderer Reihe stehen. Bei Festen sind sie direkt auf Gäste zugegangen, waren sehr lebendig und gesprächig zum Beispiel am Kuchenstand, und eben nicht nur im Hintergrund. Ihre Rolle ist aktiv.

Also keine Spur von einer Art „Unterdrückung“?

Wenn man mit den Frauen spricht, hat man nicht das Gefühl, dass sie ihr Kopftuch nur tragen, weil der Mann das will. Im Gegenteil: Sie wollen das selber.

Aber es gibt auch Gegenbeispiele.

Natürlich sind in manchen Köpfen noch uralte Werte, bei denen die Frau unter dem Mann steht. So steht es ja sogar in der Bibel. Es ist dann immer eine Frage, wie diese Werte ausgelegt werden. Und natürlich gibt es auch Frauen, die nicht rauskommen, nicht am Elternsprechtag teilnehmen. Wichtig wäre, einfach da zu sein. Auch wenn man nicht so gut Deutsch kann.

Wie erleben Sie ausländische Frauen in Witten? Sind sie gut integriert?

Besser, als man denkt. Wenn eine Frau ein Kopftuch trägt, heißt es oft sofort: Kann die überhaupt Deutsch? Und dann merkt man: Ja, sie kann sehr gut Deutsch und hat sogar ein Studium. Mir ist es selbst passiert. Als ich 2005 Integrationsbeauftragte wurde, hatte ich einen Arbeitskreis. Mit dabei war auch eine Frau mit Kopftuch. Ich hatte Angst, dass sie nichts versteht. Auf einmal hat sie sich gemeldet und fließend Deutsch gesprochen, gesagt, dass es wichtig sei, Kinder auch zu Hause zu fördern. Da dachte ich: Ich Doofmann.

Was können wir gegen diese versteckten Vorurteile tun?

Ich kann nur sagen: Lasst uns aufeinander zugehen, wenn eine türkische Familie einzieht. Da gibt es noch viel zu viele Hemmnisse. Eigentlich haben doch alle die gleichen Sorgen. Jeder möchte mal neue Möbel haben, mal in den Urlaub oder hat Angst um die Arbeit.