Witten. Die Piraten in Witten und im Kreis sind in schwerer See. Vorsitzender Stefan Borggraefe denkt sogar daran, mit der Fraktion woanders anzuheuern.

Bei den Piraten geht’s offenbar drunter und drüber. Vorsitzender Stefan Borggraefe (46) denkt daran, sich mit seiner zweiköpfigen Minifraktion den Wittener Grünen anzuschließen. Im Kreisvorstand schmiss daraufhin Schatzmeister Jörg Müller die Brocken hin – und Ratsmitglied Detlef Steinert erklärte zuerst seinen Austritt aus der Fraktion, widerrief dies aber wenig später. Was ist da los?

Wittener Piraten-Chef beklagt Machtverlust

Verfolgen lässt sich das alles nicht zuletzt anhand von parteiinternen Mails, die in die Öffentlichkeit gelangt sind, und Facebook-Nachrichten. Wie fasst ein Beobachter der politischen Szene das Tohuwabohu zusammen: „Das Piratenboot begann zu sinken. Aber die Piraten bleiben jetzt wohl doch erst mal Piraten.“

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Nun, aus den schriftlichen Äußerungen Borggraefes spricht viel Frust, weshalb er nun den Anschluss an die Grünen zu suchen scheint. Im Rat beklagt er einen Machtverlust – nicht zuletzt deshalb, weil nach dem Wechsel von Patrick Bodden vor einem Jahr zu „Stadtklima“ nun das Stimmrecht im wichtigen Haupt- und Finanzausschuss (HFA) abhanden kommen dürfte.

„Tatsächlich wird es so sein, dass es in den meisten Ausschüssen eine Mehrheit der Rechten und Konservativen geben wird“, schreibt Borggraefe an einer Stelle. Mit einem Wechsel zu den Grünen würden die gerupften Piraten auf einen Schlag erstmals einer der drei größten Ratsfraktionen angehören. Die Grünen wiederum könnten die Zahl ihrer Sitze von 13 auf 15 steigern – und mit SPD und CDU gleichziehen.

Wittener Grünen-Sprecherin bestätigt Gespräche mit Piraten

Da war die Piraten-Welt offenbar noch in Ordnung: Die Partei stellte vor zwei Jahren ihre Kandidatinnen und Kandidaten für die Kommunalwahl vor. Mit drei Mitgliedern zogen sie damals in den Wittener Rat ein.
Da war die Piraten-Welt offenbar noch in Ordnung: Die Partei stellte vor zwei Jahren ihre Kandidatinnen und Kandidaten für die Kommunalwahl vor. Mit drei Mitgliedern zogen sie damals in den Wittener Rat ein. © FUNKE Foto Services/Archiv | Barbara Zabka

„Wir führen Gespräche, ob und wie wir die Zusammenarbeit intensivieren können“, sagt Grünen-Fraktionssprecherin Birgit Legel-Wood (62). Diese Gespräche seien ergebnisoffen, wobei es eine „Menge inhaltlicher Übereinstimmungen“ gebe. Die Grünen seien eine basisdemokratische Partei mit einer großen Fraktion. „Deshalb dauert die Meinungsbildung seine Zeit.“

Stefan Borggraefe bestätigt diese Gespräche, er spricht von einem Kennenlernprozess. „Wir wollen die Kräfte durch eine engere Kooperation bündeln.“ Wenn man das eigene Kommunalwahlprogramm in einer größeren Fraktion besser umsetzen könne, sei dies eine Möglichkeit. Doch entschieden sei noch nichts.

Wittener Rat entscheidet über Neubesetzung der Ausschüsse

Am Montag wird im Rat erst einmal über die Neubesetzung der Ausschüsse entschieden. Auch die Piraten haben eine eigene Liste mit ihren Wahlvorschlägen vorgelegt. Weil sie nach dem Wechsel Boddens zu Stadtklima nur noch zu zweit sind, dürften sie allerdings nicht nur ihr Stimmrecht im HFA, sondern auch im Rechnungsprüfungsausschuss und Betriebsausschuss ESW einbüßen. Borggraefe: „Wir freuen uns aber, das Stimmrecht im wichtigen Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt zurückzubekommen.“ Im Gegenzug soll die FDP das Stimmrecht im Wirtschaftsauschuss und die WBG im Mobilitätsausschuss erhalten.

Unklar bleibt, inwieweit ein möglicher Übertritt zu den Grünen innerhalb der Piraten überhaupt abgestimmt ist. Borggraefe betont, frühzeitig den Parteivorstand eingebunden zu haben. Dagegen schreibt Ex-Schatzmeister Jörg Müller: „Mein Rücktritt ist eine Folge von Stefans heimlicher Absicht, schon in den nächsten Tagen zu den Grünen zu wechseln.“ Dazu Borggraefe: „Das wird so dargestellt, als sei es schon entschieden.“

Borggraefe schließt sogar Auflösung des Kreisverbandes nicht aus

Gut 50 Mitglieder haben die Piraten noch kreisweit, in Witten sind es um die 30. Neben dem politischen Machtverlust führt Borggraefe auch persönliche Gründe an, warum er mit der eigenen Partei hadert. „Der Grund dafür ist, dass bei mir der Akku leer ist und mich mich überlastet fühle.“ Er fordert seine Mit-Piraten auf, den „Arsch hochzunehmen“, also in der Fraktion oder im Kreisverband mehr mitzuarbeiten.

Der Wahl-Wittener schließt derzeit sogar eine Auflösung des 2016 gegründeten Kreisverbandes nicht aus – falls der nach dem Rücktritt des Schatzmeisters nötige außerordentliche Parteitag wieder nicht beschlussfähig sein sollte. Das Piratenschiff bleibt in schwerer See.