Witten. Die Fußball-WM in Katar ist umstritten – auch bei den Gastronomen in Witten. Werden sie die Spiele trotzdem zeigen? Ein Stimmungsbild.

Die hoch umstrittene Fußball-Weltmeisterschaft in Katar steht vor der Tür. Am 20. November findet das Eröffnungsspiel statt, die deutsche Nationalmannschaft startet am 23. November ins Turnier. Bereits jetzt hört man hier und da Stimmen, dass einige das Turnier aufgrund der Bedingungen im Wüstenstaat nicht verfolgen wollen. In Witten sind zumindest die Kneipen, wo auch sonst viele Spiele gezeigt werden, offenbar dabei.

Thorsten Wottrich von der Traditionskneipe „Alte Post“ in der Innenstadt kennt die Diskussionen. „Ich kann das verstehen und meine persönliche Meinung von dem Turnier ist auch nicht positiv.“ Dennoch hat er sich dazu entschieden, die Spiele in seiner Kneipe zu zeigen. „Man würde der Gesellschaft dort doch auch nicht helfen und vielleicht noch mehr schaden, wenn man das jetzt hier boykottiert.“

Wirt der Alten Post in Witten erinnert an schwierige Zeiten

Zudem habe es die Gastronomie nach den Coronajahren und in Zeiten der Energiekrise sowieso schon schwer genug, sagt Wottrich. „Es ist derzeit schwierig für uns. Ich wäre doch schön blöd, wenn ich auf den Zug nicht aufspringen würde und auf potenzielle Gäste verzichte.“ Auf fünf Großbildschirmen wird er die Spiele zeigen.

Eine große Euphorie hat der Innenstadt-Gastronom bei seinen Gästen aber noch nicht erkannt. „Zwar fragen viele Leute nach. Ich glaube aber, dass am Ende deutlich weniger Leute kommen als noch bei anderen Turnieren in den Vorjahren.“ Auch das Klimbim im Wiesenviertel bestätigt auf Anfrage, dass die Spiele gezeigt werden. Weiter will man sich zu der Thematik nicht äußern.

Thorsten Wottrich (l.) von der Alten Post wird seine fünf Fernseher zur WM anschalten. Hier ein Bild von der Europameisterschaft im vergangenen Jahr.
Thorsten Wottrich (l.) von der Alten Post wird seine fünf Fernseher zur WM anschalten. Hier ein Bild von der Europameisterschaft im vergangenen Jahr. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Eine ganz andere Meinung hat die Werkstadt. In den vergangenen Jahren hat sie ab der K.o.-Phase immer ein größeres Public Viewing für bis zu 800 Zuschauer angeboten. In diesem Jahr wird darauf aber verzichtet. „Die Arbeitsbedingungen der Arbeitsmigrantinnen und -migranten widersprechen unseren Werten als soziokulturelles Zentrum“, sagt Sprecherin Heinke Liere. Diese seien menschenunwürdig und „erinnern an moderne Sklaverei“.

Zudem habe die Werkstadt ein vielfältiges Angebot für queere Menschen. „Homophobie hat bei uns keinen Platz“, so Liere. Grundsätzlich sei dem Kulturzentrum Diversität wichtig, weshalb man derzeit auch einen Referenten zu dem Thema suche.

Auch das Backhaus an der Dortmunder Straße war in der Vergangenheit dafür bekannt, bei Europa- oder Weltmeisterschaften etwas auf die Beine zu stellen. Auf Anfrage sagt ein Mitarbeiter aber, dass in diesem Jahr nichts geplant sei. Das Café del Sol verzichtet ebenfalls auf die Übertragung der Spiele. Das war aber auch in den vergangenen Jahren schon der Fall.

Facebook-Umfrage zeigt große Skepsis

Dass die Skepsis bei den Menschen groß ist, bestätigt der Fußballkreis Bochum, zu dem Witten zählt. „Es ist allgemein bekannt, unter welchen Umständen diese WM zustande kam. Von einer Begeisterung früherer Jahre sind wir deshalb weit entfernt“, sagt Vorsitzender Axel Zimmermann. Hinzu komme, dass es zwischen der Nationalmannschaft und den Amateurclubs „einen Riss gegeben hat“. Entsprechend gering sei das Interesse an der WM – zumal die Amateure anders als die Profis ihre Saison dafür nicht unterbrechen. Zimmermann: „In einigen Vereinsheimen werden die deutschen Spiele sicherlich gemeinsam verfolgt. Aber mit gebremstem Schaum und kritischem Blick.“

Dieses Bild zeigt sich auch bei einer nicht repräsentativen Facebook-Umfrage dieser Redaktion. „Das ist die erste WM seit 1974, die ich mir nicht anschauen werde“, schreibt ein Nutzer. „Keine Zeit oder Bock darauf“, so ein anderer. Die meisten Nutzerinnen und Nutzer geben an, sich die Spiele nicht anzuschauen. Es gibt aber auch diejenigen, die etwas Vorfreude spüren. „Ich habe mir extra Urlaub genommen. Da hätten sich die Obrigkeiten klar positionieren müssen und nicht der normale Bürger“, heißt es in einem Kommentar.

Wie viele Menschen sich am Ende dann wirklich in den Kneipen tummeln oder den heimischen Fernseher anschalten, wird sich wohl spätestens zum ersten Deutschland-Spiel gegen Japan zeigen.