Witten. Vor 84 Jahren hat sich die Pogromnacht ereignet. Auch viele Wittener fielen den Taten zum Opfer. Mit einer besonderen Aktion wurde ihnen gedacht.

Bereits 84 Jahre sind vergangen, seit sich die Pogromnacht vom 9. auf den 10. November mit grausamen Folgen für die jüdische Bevölkerung ereignete. Der Künstler Gunter Demnig hat seit 1996 fast 100.000 Stolpersteine europaweit vor den einstigen Wohnungen der Opfer verlegt, darunter persönlich auch sieben der 108 Stolpersteine in Witten. Damit das Gedenken an die jüdischen Opfer und die Stolpersteine selbst nicht verblassen, rief Christoph Ebner vom Arbeitskreis Stolpersteine zur jährlichen Putzaktion auf.

In diesem Jahr beteiligten sich Gruppen vom Lions Club Witten Rebecca Hanf, der Hardenstein-Gesamtschule, dem Ruhr-Gymnasium, dem Friedensforum, der SPD und der Grünen an der Putzaktion. Der Lions Club Rebecca Hanf kümmerte sich beispielsweise um die Stolpersteine im Parkweg und die Hardenstein-Gesamtschule reinigte in Herbede.

Teilnehmende in Witten wollen aktiv gedenken

„Ein schönes Gefühl, die Steine wieder zum Glänzen zu bringen, sie sollen auch weiterhin für Aufmerksamkeit sorgen“, so Elisa von der Grünen Jugend. Mit ihr ist auch Frederick im Einsatz. „Gerade jetzt, wo die letzten Überlebenden sterben, ist es umso wichtiger, auch weiterhin an die Gräueltaten zu erinnern“, sagt er. Carl-Niklas aus der gleichen Gruppe will es nicht nur den anderen überlassen zu gedenken, sondern möchte selbst ein aktiver Teil sein.

Die Stolpersteine sind kleine Betonwürfel mit einer quadratischen Messingtafel, die auf dem Asphalt vor den ehemaligen Wohnungen der zu Tode gekommenen oder verschollenen Juden verlegt werden. Auf ihnen sind die Daten der damaligen Bewohner mit einem Hammer eingeschlagen. Den NS-Opfern, die in den Konzentrationslagern zu Nummern degradiert wurden, sollen so ihre Namen zurückgegeben werden. Die Passanten sollen nicht tatsächlich, sondern im Kopf über diese Gedenksteine stolpern, so die Intention des Künstlers Demnig.

Bürgermeister Lars König (l.) und Alt-Bürgermeister Klaus Lohmann haben zum Gedenken an die Reichspogromnacht einen Kranz an der Synagogenstraße niedergelegt.
Bürgermeister Lars König (l.) und Alt-Bürgermeister Klaus Lohmann haben zum Gedenken an die Reichspogromnacht einen Kranz an der Synagogenstraße niedergelegt. © FUNKE Foto Services | Sebastian Sternemann

An sich müssten die Stolpersteine alle drei Monate gereinigt werden, da sie schnell matt werden, meinte Christoph Ebner vom Arbeitskreis bei der Begrüßung und Einteilung der Reinigungsgruppen. Handfeger und Reinigungsmittel hatte er vorsichtshalber mitgebracht.

170 Juden kamen in Witten ums Leben

Wie wichtig es ist, den Opfern zu gedenken, zeigt ein Blick zurück auf die schlimmen Taten. Nationalsozialisten zerstörten in der Reichskristallnacht Wohnungen, Geschäfte und Friedhöfe jüdischer Bürger und zündeten - auch in Witten – Synagogen an. Nachdem Wohnungen und Geschäfte demoliert worden waren, wurden die Juden von der Polizei in „Schutzhaft“ genommen und zum Polizeirevier in der Poststraße getrieben. „Wir sind eigentlich umringt von Schicksalen“, so Christoph Ebner. Von den 485 zwischen 1933 und 1945 in Witten lebenden jüdischen Männern, Frauen und Kindern wurden 170 ums Leben gebracht, so das Stadtarchiv.

Über 100 Stolpersteine sind in ganz Witten verteilt.
Über 100 Stolpersteine sind in ganz Witten verteilt. © FUNKE Foto Services | Sebastian Sternemann

Am gleichen Abend fand um 18 Uhr eine Gedenkstunde an der ehemaligen Synagoge an der Ecke Breite Straße/Synagogenstraße statt. Nationalsozialisten hatten die 1885 von der jüdischen Gemeinde erbaute Wittener Synagoge angezündet, so Martina Kliner-Fruck vom Stadtarchiv. Am Morgen des 10. November 1938 waren die Kuppel und der Innenbereich des jüdischen Gotteshauses komplett ausgebrannt. Anwesende Feuerwehrleute achteten lediglich darauf, dass die Flammen nicht auf Nachbargebäude oder das Ruhr-Gymnasium übergriffen. Mit der Putzaktion soll auch im nächsten Jahr wieder dafür gesorgt werden, dass die schlimmen Ereignisse nicht in Vergessenheit geraten.