Witten. Vor 125 Jahren begann die Diakonie mit der Ausbildung von „Kindertanten“ in Witten. So liefen die Anfänge des Comenius Berufskollegs.
Das musste gefeiert werden: Das kleine, aber feine Comenius Berufskolleg hat seinen 125. Geburtstag mit einem kleinen Festakt im Lukaszentrum begangen. Die heutige Ausbildungsstätte für Kita-Mitarbeitende an der Pferdebachstraße geht auf das Kleinkinderschulschwestern-Seminar zurück, das 1897 in Witten eröffnet wurde. Es war die erste private Fachschule ihrer Art in Westfalen.
Ganz schön viel ist passiert, seitdem sich vor 125 Jahren die Türen des Diakonissenhauses erstmalig für ein Seminar der neuen Kleinkinderschulschwestern öffnete: Die vielen „Aufs“ und „Abs“ ließ Prof. i.R. Sigurd Hebenstreit in der Feierstunde mit Anekdoten zur Geschichte der Ausbildung Revue passieren. Und so erfuhr die Festgemeinde, dass die Inhalte und Ziele des Comenius Berufskollegs wesentlich durch die Lehre des deutschen Pädagogen Friedrich Fröbel (1782 – 1852) beeinflusst wurden.
Ein Kindergarten als „Paradiesgarten“
Sein System von Beschäftigungen, Liedern und „Spielgaben“ fußte darauf, dass bereits in der frühen Kindheit der Nährboden für die weitere Entwicklung des Menschen gelegt wird. Ein Kindergarten sollte in Abgrenzung zu den Kinderbewahranstalten und Kleinkinderschulen der damaligen Zeit als Paradiesgarten gesehen werden, in dem der Nachwuchs unter Anleitung der Kindergärtnerinnen „das Frühlingsfest des menschlichen Lebens“ verbringen konnte.
Die Erzieherinnen – damals „Kindertanten“ genannt – bekamen auch damals schon eine Reihe von Vorgaben. So sollten sie bei ihrem Umgang mit den Kindern vor allem die Menschenwürde des Kindes erkennen, aber auch auf ihre Kleidung achten. „Dass ich auf Reinigkeit an meinem Leibe (...) die nötige Sorgfalt verwandt habe, so dass ich in meine Schule als mein Heiligtum nicht in Pantoffeln betrete.“
Schwierige Zeiten ab 1932
Die Standortwahl fiel auf Witten, da das Diakonissenhaus für die Grafschaft Mark und das Siegerland zum damaligen Zeitpunkt bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten bestand. Den Anfang vor 125 Jahren machten vier angehende Diakonissenschwestern. Nachdem eine Teilnahme auch ohne Eintritt in den Orden möglich wurde, stieg die Zahl der Seminarteilnehmerinnen sprunghaft. Ausgenommen waren Schülerinnen der Volksschule, aber auch diese Hürde wurde abgebaut.
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Schwierig wurden die Zeiten ab 1932, in der die Zahlen von 60 auf 17 Schülerinnen im Jahre 1937 sanken und der Schulbetrieb während des 2. Weltkrieges bis zur Wiedereröffnung 1947 ruhte. Aus Kindergärtnerinnen wurden später Erzieherinnen. Neu hinzugekommen ist zwischenzeitlich der Zweig Heilerzieherlehre.
Bis zu 100 Fachkräfte pro Jahr schließen die Ausbildung ab
Doch die aktuelle Situation ist schwierig. Jens Koch, Geschäftsführer der Diakonie Ruhr, nennt alarmierende Zahlen: Es fehlen für die Region 984.000 Kita-Plätze nebst 98.600 Fachkräften, der Trägeranteil zur Finanzierung der Kosten sei dabei kaum zu stemmen. Geschäftsführerin Marianne Anschütz findet neue Schülerinnen über die Kooperationspartner, die ihre Mitarbeiter qualifizieren wollen: „Wir sind auf einer stabilen Linie in der praxisorientierten Ausbildung, noch können wir nicht klagen.“
Ein Schulfach heißt Glück
Das Comenius Berufskolleg bietet praxisintegrierte Ausbildungsgänge in den Bereichen Heilerziehungspflege und Erziehungswesen an. Die Ausbildung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher kann auch in klassischer Form absolviert werden, bei der ein einjähriges Berufspraktikum auf zwei Jahre Schule folgt.
Innerhalb der Erzieherausbildung wird auch das Fach Glück vermittelt. Zu den Inhalten zählen Persönlichkeitsentwicklung, Selbstmanagement, sehr viel Selbstreflexion über Stärken und Werte, aber auch Gesundheit der Psyche, Achtsamkeit und Umgang mit Stress. Die Schule hat sogar einen eigenen Stempel mit den Worten „persönlich individuell kompetent“ entwickelt.
Schulleiterin Claudia Wolmerath freut sich, dass das Berufskolleg immer noch mit dreizügigen Eingangsklassen für Erzieherinnen und einer vierten in der Fachrichtung Heilerziehungspflege starten kann: „80 bis 100 Fachkräfte pro Jahr schließen die Ausbildung ab.“
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Zwei von ihnen sind Bella Sonntag (28) und Inka Obst (32). Warum wählen sie diesen Beruf? Bella kommt von der Uni Witten Herdecke, möchte aber „als Mensch wahrgenommen und gesehen werden. Das hat hier ein gewisses Niveau, hier ist ein besonderer Spirit“, lobt sie. Für Inka ist es der zweite Bildungsgang nach einer Ausbildung in der Hotel- und Gastronomiebranche. Sie möchte den Menschen und Kindern in dieser Zeit helfen. „Um ihr Leben ein bisschen zu vereinfachen.“