Witten. Im Muttental in Witten musste ein Hornissennest entfernt werden, nachdem ein Schwarm Menschen angegriffen und gestochen hatte. Wie kam es dazu?
Vor einem „aggressiven Hornissenschwarm“ im Muttental in Witten wird in den Sozialen Netzwerken gewarnt. Menschen und Tiere sollen schon gestochen worden sein. Die Feuerwehr hat daraufhin am Wochenende ein Nest an der Berghauser Straße mit Flatterband abgesperrt. In einem zweiten Fall wurden zwei Spaziergänger angegriffen und so oft gestochen, dass Notfallsanitäter die Patienten wegen „Stichen und Atemnot“ in einem Rettungswagen versorgen mussten. Das Nest in einem hohlen Baum Am Masling wurde von einem Fachmann entfernt.
Vielleicht haben Sie das tiefe Brummen auch schon gehört? In diesem Jahr gibt es besonders viele Hornissen, wie überhaupt der milde Winter viele Fluginsekten hat überleben lassen. Ein Hornissenvolk hat seine maximale Stärke im August erreicht, „wenn die Pflaumen fallen“, sagt Martin Off, der als ehrenamtlicher „Wespen- und Hornissenberater“ für die Untere Naturschutzbehörde des EN-Kreises tätig ist. Der Imker hat selbst drei Hornissennester an seinem Haus und erlebt die Tiere als ruhig und friedlich. Er war es, der das Nest Am Masling entfernt hat. „Eine ungewöhnliche Maßnahme“, sagt er. Denn die fast drei Zentimeter großen Insekten stehen unter Naturschutz.
Zerstört werden Nester nur, wenn Gefahr in Verzug ist
Hat jemand ein Nest entdeckt, kommt der Sachverständige vorbei, guckt und berät. Manchmal zieht er dann seine Schutzkleidung an, die dicken Gummihandschuhe, den Overall und den Imkerhut. Ohne traut er sich nicht, „so mutig bin ich nicht“, lacht er. Mitunter könne man das Nest im Rollladenkasten, an Trockenmauern oder Gartenhäusern lassen und nur das Einflugloch in eine andere Richtung setzen. Häufig siedelt Martin Ott das Volk aber auch um. Zerstört werden Nester aber nur, wenn Gefahr in Verzug ist – so wie Am Masling.
Ehrenamtliche beseitigen Hornissennester
Acht Ehrenamtliche kümmern sich für die Naturschutzbehörde EN-Kreis um die Umsiedlung von Hornissennestern. Die meisten von ihnen seien Imker, so Dietmar Grube, der sich beim EN-Kreis um den Artenschutz kümmert und sich über „ein gutes Hornissenjahr 2022“ freut.
Meist rufen Leute, die ein Hornissennest bei sich entdecken, zuerst einen Schädlingsbekämpfer an. Diese können aber erst tätig werden, wenn sie die amtliche Befreiung zur Beseitigung eines Nests haben.
„Ein Tier wird nur böse, wenn es gestresst und in die Ecke getrieben wird“, erklärt Off. Im Muttental kam einiges zusammen. „Die Hornissenzeit geht zu Ende. Die Königin hat das Nest bereits verlassen und ihre Schwestern machen, was sie wollen“, sagt der Imker. Große Nervosität ist also vorprogrammiert. Zudem ist die Lage des Nestes unglücklich: Sehr nah an der Straße, es gibt Krach und Vibrationen durch den Autoverkehr. Wenn dann ein Mensch sich ungeschickt verhält – etwa nach den Tieren schlägt –, „dreht eine durch und holt ihre Schwestern“. Und die stechen zu.
Hornissen essen gerne Wespen
Ein Hornissenstich sei weniger schlimm als ein Wespenstich, sagt Martin Off. Zwar sei der Stachel größer, aber weniger allergen. „Wespen nutzen ihren Stachel mehrfach, sie jagen damit. Neben dem Gift gelangen auch Keime in die Einstichstelle.“ Eine Hornisse verteidigt sich lediglich mit dem Stachel. Ihre Beute erlegt sie, „kräftig und brutal“ mit ihren Beißwerkzeugen. Sehr gerne essen Hornissen übrigens andere Insekten wie Fliegen oder Wespen, die sie vorab in Stückchen reißen.
Der Experte rät dringend dazu, ruhig zu bleiben und keinesfalls nach Hornissen zu schlagen. „Ich vermute auch: Hornissen haben ein fotografisches Gedächtnis. Sie speichern sich das Gesicht ihres Feindes ab.“ Zur Beruhigung: Die Hornissenpopulation nimmt jetzt ab, der erste Frost werde sein Übriges tun und letztlich werde wohl nur die Königin überleben. Wird der nächste Winter wieder ähnlich mild, „werden wir im nächsten Jahr wahrscheinlich noch mehr Wespen, Mücken und auch Hornissen haben“, sagt er.
Insekten im Spezial-Sauger eingesaugt
Leben die Hornissen vom Masling noch? Wahrscheinlich ja. Jedes einzelne der 300 bis 400 Tiere hat Martin Off mit einem Spezial-Gerät eingesaugt. Der Schlauch des Saugers endet in einer „Fangkiste“, einem durchsichtigen Plastikbehälter, der flauschig ausgepolstert ist. „Ich sag denen immer: Bleibt schön drin, Schwestern!“ Normalerweise würde er auch das Nest ausbauen, woanders in einen Hornissenkasten wieder einbauen und die Hornissen dort einsetzen. In diesem Fall aber wurde das Nest so abgedichtet, dass es nicht wieder besiedelt werden kann. Die Muttental-Hornissen hat Off bei sich zuhause in Wetter freigelassen. Vielleicht haben sie ja in einem seiner drei Haus-Nester Unterschlupf gefunden.