Witten. Aus finanziellen Gründen wurde die Tagespflege Lührmann im Wiesenviertel Witten geschlossen. Nicht nur dort gibt es jetzt eine Neueröffnung.

Im Pflegesektor ist meist vom stark wachsenden Bedarf die Rede, eine Reaktion darauf ist die zunehmende Zahl der Tagespflegeeinrichtungen in Witten. Doch der Markt ist umkämpft: Der Betreiber Lutz Lührmann hat seine erst 2020 eröffnete Tagespflege im Wiesenviertel aus finanziellen Gründen zum 1. Juli geschlossen. Die Konkurrenz in Witten sei zu groß. Die Einrichtung hat nun die Ev. Stiftung Volmarstein übernommen, die in der Ruhrstadt weiter expandieren möchte.

Das Statistische Bundesamt belegt in seinem Pflegereport: Tagespflege wird der Boom im Pflegesektor der nächsten Jahre. Viele Angehörige, meist die Töchter, müssten sonst beruflich kürzer treten, um ihre betagten Eltern pflegen zu können. Als Alternative zum Heim können die älteren Herrschaften daheim wohnen bleiben. Viele nutzen einen ambulanten Pflegedienst, der morgens und abends zuhause vorbeikommt, und besuchen tagsüber eine Tagespflege.

Boecker-Stiftung eröffnet im Frühjahr 2023

Auch interessant

Aber: Nur mit Synergieeffekten könne der Betrieb einer Tagespflege „in einem problematischen Umfeld erfolgreich bewältigt werden“, erklärt Dr. Lutz-Peter Lührmann (67). Erst im Juni 2020 hatte der Arzt und ehemalige Leiter des Kreisgesundheitsamtes aus Rüdinghausen die Tagespflege an der Theodor-Heuss-Straße eröffnet. „Seitdem haben zwei weitere Tagespflegen ihren Betrieb im Innenstadtbereich aufgenommen. Dies war deutlich zu spüren.“ Zudem hätten die Corona-Auflagen den Betrieb erheblich belastet. „Eine solitäre, völlig auf sich allein gestellte Tagespflege war wirtschaftlich nicht mehr haltbar.“

Mit der Schließung zum 1. Juli, wobei Verträge aufgekündigt und Personal entlassen wurde, hat das Unternehmen sich aus Witten zurückgezogen und konzentriert sich auf seine Standorte in Wetter. In Witten wachsen derweil die Anbieter. Die Tagespflegen im Wullener Feld und an der Wetterstraße, hinter dem Café del Sol, betreibt die Familien- und Krankenpflege Witten. Die Boecker-Stiftung baut gerade an der Breite Straße um und möchte im Frühjahr 2023 eine Tagespflege mit 15 Plätzen eröffnen.

Chelonia machte 2004 den Anfang

Von der Pflegekasse finanziert

Schon ab Pflegegrad 2 hat man Anspruch auf Tagespflege hat als zusätzliche Sachleistung der Pflegekasse. Neben dem ambulanten Pflegedienst, der zum Beispiel zuhause für Waschen vorbeischaut, kann man also zusätzlich Tagespflege buchen.

„Viele Angehörige wissen nicht, wie gut Tagespflege finanziert wird“, sagt Claudine Scharfenberg von der Ev. Stiftung Volmarstein. Auch der Fahrdienst, der die Senioren daheim abholt und wieder bringt, wird übernommen.

Den aus ihrer Sicht lukrativen Standort im Wiesenviertel hat sich die Ev. Stiftung Volmarstein gesichert. Sie möchte in Witten weiter expandieren und eine zweite Tagespflege in Heven eröffnen. Damit würde die Stiftung im Kreisgebiet sechs solcher Einrichtungen anbieten, verrät Nicolas Starck, Geschäftsbereichsleiter Seniorenhilfe. Die Tagespflege im Wiesenviertel bewerben sie unter dem Slogan „Mitten im Leben“. Bis zu 22 Pflegeplätze seien am Standort möglich. Weil viele Gäste nur zwei oder drei Tage in der Theodor-Heuss-Straße verbringen, können noch mehr Menschen betreut werden.

Eine der ersten Anbieterinnen in Witten war Stephanie Ludwig, die 2004 die Chelonia Tagespflege in Heven eröffnete. Bis heute sei die Frequenz da, der Betrieb laufe gut, betont sie. „Wenn man einen guten Job macht, spricht sich das herum.“ Statistisch gesehen, also mit Blick auf den demografischen Wandel, hätte Witten das Potenzial für weit mehr Tagespflege-Einrichtungen. Dennoch würde sie keine weitere Einrichtung eröffnen: „Die Leute müssen auch wollen“, sagt sie. „Nicht jeder ist für so etwas prädestiniert. Manche bleiben im Alter einfach lieber zuhause.“