Witten. Mit 108 Kilo zu dick fürs Karussell? Eine Frau musste bei der Zwiebelkirmes in Witten den „Base Jumper“ verlassen – weil sie zu korpulent sei.

So uncharmant wurde Bianca Althaus selten behandelt. Auf der Wittener Zwiebelkirmes wurde sie vor aller Augen aus dem Fahrgeschäft „Base Jumper“ herauskomplimentiert, weil sie zu korpulent sei. Tatsächlich muss der Betreiber etwa sechs Mal pro Tag zu füllige Fahrgäste wieder wegschicken. Diskriminiert fühlt sich die 44-Jährige, schließlich dürfe sie doch auch Kettenkarussell, Autoscooter oder „Breakdance“ nutzen.

108 Kilo bei 1,76 m Körpergröße wiegt Bianca Althaus. „Ich hab’ halt ein bisschen Bauch“, sagt sie. Sie geht mit ihrer Familie gern in Freizeitparks oder eben zur Zwiebelkirmes. Bislang hatte sie nirgendwo Probleme. Auch nicht ihr Sohn, der größer und schwerer sei. Der Vorfall am „Base Jumper“ hat ihr den Spaß an Fahrgeschäften mächtig vermiest.

Auch eine 17-Jährige musste gehen

Das erst 2020 gebaute Karussell war erstmals auf der Zwiebelkirmes zu finden, hat aber das Zeug zum Publikumsmagneten. Die Passagiere sitzen in Doppelschalensitzen, diese drehen sich um die eigene Achse und werden durch Schwebearme in die Höhe katapultiert. Also: Nichts für schwache Nerven (und Mägen).

Auch interessant

Nachdem Bianca Althaus die Tickets geholt hatte, setzte sie sich mit ihrer Schwester in den Doppelsitz des Fahrgeschäfts. „Wir schnallten uns an und alles passte“, berichtet sie. Ein junger Mann kontrollierte den Haltebügel und nahm die Tickets entgegen. Etwa zwei Minuten später aber kam er wieder, öffnete den Gurt. „Er forderte mich auf, das Fahrgeschäft zu verlassen, mit der Begründung, ich sei zu korpulent.“

Dasselbe sei danach noch einem Mädchen passiert. Während Bianca Althaus sich lautstark beschwerte und sich am Kassenhäuschen ihr Geld zurückholte, habe sich die junge Frau verschämt davongeschlichen. „Was macht das mit einer 17-Jährigen, wenn man vorm Freundeskreis so behandelt wird“, sagt Althaus und spricht von Mobbing. Natürlich müsse der Betreiber sich an die Sicherheitsvorschriften halten. Aber man könne schon am Kassenhäuschen auf das Gewicht hinweisen oder ein Maximalgewicht ausschildern.

Maschine voller Sicherheitssensoren

Auch interessant

Der Betreiber des Fahrgeschäfts Gerard Ernst kann kaum verstehen, wie man sich wegen zu hoher Sicherheitsstandards beschweren könne. Der „Base Jumper“ sei auf die Vorschriften des TÜV Deutschland ausgelegt. „Es ist eine ganz neue Maschine, die ist voller Sicherheitssensoren“ erklärt der Niederländer. Für Fahrgeschäfte, die nach 2015 in Betrieb gegangen sind, gelten eine neue DIN und damit höhere Vorschriften als für ältere Modelle. „Und Sicherheit hat im Zweifel immer höchste Priorität“, sagt Matthias Pöck, der für das Stadtmarketing die Kirmes organisiert hat.

Gerard Ernst tingelt mit dem Fahrgeschäft von Kirmes zu Kirmes. Gerade war er in Hattingen, nun geht es nach Meißen. Es sei normal und passiere täglich, dass er Fahrgäste nachträglich – und auf Vorgabe seines Computers – aussortieren müsse.

Mit zwei Meter ist man zu groß

Mit bis zu 250 Kilo könne ein Doppelsitz des „Base Jumpers“ belastet werden, entscheidend seien aber die Abmaße für die Sicherheitsbügel. Wer über zwei Meter groß sei, passe nicht hinein. Zwischen der Rückenlehne und Bauchbügel seien 30 Zentimeter Platz. Der Bauchumfang der Frau war offenbar zu groß. „Der Bügel rastet zwar ein, aber mein Computer hat mir keine Freigabe erteilt.“ Ob der Passagier zu groß oder zu dick sei, könne man nicht schon am Kassenhäuschen bewerten, wo man die Fahrgäste auch kaum sehe.

Trotzdem: Bianca Althaus wünscht sich einen anderen Umgang mit stabilen Menschen: „Jeder hat das Recht, auf einem Fahrgeschäft Spaß zu haben. Auch wenn man korpulent ist.“